Die Immobilienblase und die falsche Frage
Preissteigerungen für Immobilien finden sich landauf, landab. Egal ob Kauf oder Vermietung – ob Wohn- oder Gewerbeobjekt; selbst die Ferieninsel Mallorca hat nach der deutlichen Preiskorrektur in Spanien infolge der US-Immobilienkrise das Thema um die Immobilienpreisblase erreicht. So ist es nicht überraschend, dass mit viel statistischem Aufwand gemessen wird und Frühwarnsysteme helfen sollen, Übertreibungen rechtzeitig zu entdecken. Die wichtigere Frage bleibt aber meist auch von Experten unbeantwortet: Was dann?
Der IVD blickt auf den Markt!
Zugegeben, es ist nicht einfach Preisblasen einwandfrei feststellen zu können, auch wenn deren Ursachen derzeit leicht auszumachen sind. Die ultralockere Geldpolitik der EZB sorgt seit längerer Zeit für günstige Finanzierungsbedingungen auf Immobilienmärkten. Mancher Mieter wird für sich die Rechnung aufmachen, ob die bisher bezahlte Miete nicht höher ist als der Finanzierungszins für eine selbstgenutzte Immobilie. Denn schon die überschlägige Beispielbetrachtung für das Berliner Durchschnittsobjekt (360.000 Euro einschließlich Kaufnebenkosten) zeigt beim durchschnittlichen Immobilienfinanzierungszins (laut Bundesbank, Immobiliendarlehen auf 5 bis 10 Jahre) Zinsraten unter 500 Euro je Monat.
Kaum eine Wohnung dürfte für diese Kaltmiete zu haben sein. So ist es nicht ganz abwegig, dass der derzeitige Mieter sich sagen könnte, dass er den Betrag seiner derzeitigen Miete zum Vermögensaufbau und letztendlich für die Tilgung nutzt.
Ursachen von Immobilienblasen
Die Bundesbank analysiert diesen Mechanismus regelmäßig in ihren Monatsberichten. Gleichermaßen ist der Begriff der
Immobilienblase auch in der Forschung stark diskutiert. Wölfle und Löffler haben 2017 hierzu eine Studie (CRES Discussion Paper No. 12) durchgeführt und verschiedene Forschungsansätze abgeglichen. Die dort enthaltene Tabelle fasst bündig zusammen: 17 von 27 Studien befassen sich mit Zinsen und der Kreditversorgung als Treiber hinter Immobilienpreisentwicklungen.
„Es ist nicht wichtig zu wissen, ob wir eine Blase haben,
sondern die Frage, was passiert, wenn die Blase platzt?“
Gesamtmarkt betrachten – wem gehört Deutschland?
In Hamburg wird derzeit von Mieterseite mit hoher Medienwirksamkeit diskutiert, „wem die Stadt gehört“. Mit Objektivierung ist die Frage keineswegs unangebracht und wichtig, um die Wirkungen einer platzenden Blase und damit deutlichen Preiskorrektur betrachten zu können. Hier sind grundsätzlich drei Gruppen zu unterscheiden.
- Gesellschaften in Händen der Kommunen, Länder oder des Bundes bzw. Non-Profits
- Profit-orientierte Gesellschaften mit und ohne spezifischen Fokus auf den Immobilienmarkt
- Privatpersonen als Eigennutzer und Vermieter
Die dem Zensus (Statistisches Bundesamt 2011) entnommene Gliederung zeigt schon eine unterschiedliche Interessenlage und folglich ein anderes Handlungsmuster der jeweiligen Marktteilnehmer auf. Während die erstgenannte Gruppe kaum eine Orientierung am Markt vornimmt, Kostenmieten verlangt und einem öffentlichen Interesse bei der Wohnraumversorgung nachkommt, ist die Interessenlage der zweitgenannten Gruppe genau umgekehrt. Vor dem Hintergrund von Investoreninteressen müssen Überschüsse erwirtschaftet werden und Portfolios sind mit Laufzeiten versehen. Auslaufende Darlehen oder steigende Zinsen beeinflussen diese Gruppe am stärksten. Demgegenüber stehen Eigennutzer mit einem Investitionshorizont, der deutlich über die üblichen 10 Jahre in Gruppe 2 hinausgeht. Bei einer Orientierung über 30 Jahre wird diese Gruppe nur dann von steigenden Zinsen zum Verkauf gezwungen, wenn sie ihre Raten nicht mehr bedienen können. Hierfür müsste der Zinsanstieg deren Tilgungszahlungen von derzeit durchschnittlich 2 Prozent (vdp Research 2017) übertreffen. Auch deren Vermietungsobjekte, die üblicherweise zur Altersvorsorge vorgesehen sind, werden wohl erst bei deutlichen Zinsanstiegen auf den Markt kommen, zu einem Überangebot führen und damit zu einer Preiskorrektur beitragen können.
Auswirkungen steigender Zinsen in Zahlen prognostizieren
Die Wirkungskette lässt sich aber nicht allein so überschlägig darstellen, denn die Anteile der jeweiligen Gruppen am Gesamtvolumen der Märkte sind bekannt. Wölfle (2018) (aktuelle CRES-Studie in Veröffentlichung) simuliert in seinem Aufsatz das Verhalten der Finanzinvestoren und steigert deren übliche Umschlagshäufigkeit mit steigenden Zinsen ausgehend von der üblichen Rate von 10 Prozent (alle 10 Jahre im Normalmarkt). Aus dem oben dargestellten Vergleich der Zinsen und Tilgungsraten mit Mieten lässt sich für private Eigentümer ableiten, wann welcher Anteil des Marktes zum Verkauf gezwungen ist. Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse in der letzten Zeile, wobei angemerkt werden muss, dass nur jeder zehnte Eigentümer ins Gewicht fällt. Dies liegt daran, dass bei einer zehnjährigen Laufzeit auch nur ein Zehntel der zu betrachtenden Darlehen pro Jahr ausfällt.
Werden diese Anteile mit der prognostizierten Nachfrageentwicklung des BBSR und den Preisentwicklungen von IMV Marktdaten gekoppelt, so lassen sich für die deutschen Top-Städte Preisreaktionen bei Zinsveränderungen abschätzen. Die Tabelle „Preisveränderungen infolge schneller Zinsanstiege“ unterscheidet 3 Varianten. Denn bei der Prognose könnte der Preiseinfluss der Zinssteigerung gering, mittel oder stark ausfallen. Im mittleren Szenario zeigt sich, dass erst ab einem Zinsanstieg von über 2 Prozent in einem kurzen Zeitraum mit 13,09 Prozent zweistellige Preisreduzierungen zu erwarten sind. Im nicht unwahrscheinlichen, wenig reaktiven Szenario der ersten Zeile sind Preisreduzierungen im zweistelligen Bereich gar nicht in Sicht.
Autor: Prof. Dr. Marco Wölfle