Politik für die Immobilienwirtschaft

Alles neu macht der Mai – über Haltung und Handeln in der Immobilienwirtschaft

Dirk Wohltorf, Vizepräsident des IVD Bundesverband und Ehrenvorsitzender des IVD Berlin-Brandenburg, beschreibt, worauf es jetzt für Politik und Immobilienwirtschaft ankommt

Kennen Sie das auch? Ein Missstand ist erkannt, alle leiden unter den Auswirkungen und reden munter darüber. Was die Ursachen sind, liegt auf der Hand. Und mögliche Lösungen eigentlich auch. Doch keiner ergreift die Initiative, um die Sache zum Besseren zu wenden. Einige ergehen sich darin, die Schuld auf jeweils andere Beteiligte zu schieben oder äußere Einflüsse verantwortlich zu machen. So erleben wir es doch alle auch immer mal wieder im Beruf, im Verein, im Freundes- und Bekanntenkreis oder auch innerhalb der eigenen Familie.

Ganz ähnlich kommt mir die bau- und wohnungspolitische Debatte der letzten Monate und Jahre vor. Auch hier käme es darauf an, dass gemeinsam beherzt gehandelt wird. Nicht nächstes Jahr, sondern jetzt. Ob die Bau- und Immobilienwirtschaft selbst, Kommunalpolitiker und die örtlichen Bau- und Planungsbehörden oder nicht zuletzt die gesetzgebenden staatlichen Ebenen, also der Bund und die Länder. Stattdessen wird der Mangel reguliert, an den Symptomen kuriert und teilweise verschlimmbessert. Je nach weltanschaulicher Einstellung bleiben Zusammenhänge unbeachtet oder werden Wirkungen bewusst ausgeblendet.

Unsere Pflicht als Profis

Als Immobilienunternehmer sind wir gefordert: Unsere Pflicht als Profis ist es, über die Verhältnisse und Tendenzen am Immobilienmarkt transparent zu informieren, die Fehlentwicklungen klar zu benennen, die Gründe aufzuzeigen und zugleich Lösungsansätze in die Debatte zu bringen.

Wir werden von Jahr zu Jahr mehr. Gegenwärtig leben rund 84 Millionen Einwohner in Deutschland, ein neuer Rekord. Und auch in Berlin leben mit rund 3.850.000 Menschen, mehr denn je zuvor. Von einem aufs andere Jahr sind eineinhalb Millionen Menschen in unserem Land hinzu gekommen, zumeist Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine und Migranten aus anderen Ländern unserer Welt. Die Wohnungsnachfrage steigt auch, weil wir eine zunehmende Anzahl von Ein- und Zweipersonenhaushalten haben. Während der Bedarf nach Wohnraum weiter wachsen wird, geht die Wohnungsbauproduktivität zurück. Gegenwärtig müssen wir davon ausgehen, dass in diesem Jahr nur rund 240.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Die Hauptgründe sind Ihnen mit dem Mangel an verfügbarem Bauland, den explodierenden Bau- und Finanzierungskosten und den Material- und Personalengpässen bekannt. Hinzu kommt die allgemeine Verunsicherung in unserer Branche.

Die Herausforderung des Marktes

Gleichzeitig erleben wir als zumeist kleine und mittelständische Immobilienunternehmer, wie sich seit Mitte letzten Jahres die Märkte verändern. In fast allen Märkten haben Kaufinteressenten heute eine größere Auswahl an angebotenen Objekten. Es braucht vergleichsweise länger, bis es zu einer Einigung kommt. Immobilienmakler sind im wahrsten Sinne des Wortes gefragt – als Marktkundige und zugleich als Vermittler, Mediator und Berater von Immobilienwissen. So viele Fragen wie heute zum Gebäude, zur Finanzierung, zur Energieeffizienz und zur Marktsituation haben sowohl Verkäufer als auch Käufer schon lange nicht mehr gehabt.

Ist es dadurch leichter, Immobilien zu erwerben? Nicht unbedingt. Denn die Ansprüche der Banken an das einzubringende Eigenkapital steigen spürbar und in rechter kurzer Zeit – ebenso wie die Zinsen. Eine große Erleichterung wäre da eine Entlastung bei der Grunderwerbsteuer. Als IVD haben wir vorgeschlagen, dass der Bund den Ländern gesetzlich die Möglichkeit eröffnet, großzügige Freibeträge für selbstnutzende Käufer zu gewähren. Dieser Vorschlag wurde im Koalitionsvertrag zwar aufgegriffen, harrt aber ebenso wie viele andere wirksame Lösungsansätze der Verwirklichung. Gegenwärtig führen Bund und Länder einen regelrechten Eiertanz um diese Frage auf.

Die Kern-Herausforderung heißt: Wie soll all der nachgefragte Wohnraum entstehen, wenn die Herstellungskosten weiter rasant steigen und zugleich eine auskömmliche öffentliche Förderung fehlt? Also Programme fehlen, die in der Lage wären, die immer tiefer klaffende Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen.

Doppel-Wumms für den Wohnungsbau

Wir haben vorgeschlagen, jetzt Prioritäten im Bundeshaushalt zu setzen – auch zugunsten des Wohnungsbaus. Ähnlich wie für die Bundeswehr braucht es jetzt einen, um mit dem Bundeskanzler zu sprechen, „Doppel-Wumms“ für den Wohnungsbau. Um dem existenziellen Bedürfnis der Breite unserer Bevölkerung nach einem bezahlbaren Eigenheim oder einer Mietwohnung gerecht zu werden, muss der Wohnungsbau kräftig angekurbelt werden. Die Bau- und Immobilienwirtschaft geht davon aus, dass dafür in den nächsten fünf Jahren jährlich zehn Milliarden Euro erforderlich sind. Sowohl für Investitionen in den Neubau als auch in die zahlreichen Gebäudebestände.

 

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In dieser angespannten Lage erwarten wir von den politisch Verantwortlichen, dass diese mit Um- und Weitsicht entscheiden, wenn es jetzt um das Erreichen der Klimaziele im Gebäudesektor geht. Was da wie ein Kostenhammer über den Eigentümern von Ein- und Mehrfamilienhäusern hängt, muss in Ruhe diskutiert und unbedingt entschärft werden. Die aktuelle Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und die Umsetzung europäischer Beschlüsse in nationales Recht muss immer Rücksicht auf die technischen und finanziellen Realitäten der Millionen Wohneigentümer in unserem Land nehmen. Für uns als IVD steht fest: Wo das vom Gesetzgeber geforderte über das für die Eigentümer leistbare hinausgeht, müssen Vorschriften flexibel und erträglicher gestaltet und politisch verursachter Mehraufwand im Zweifel auskömmlich gefördert werden.

Wohnungspolitik muss Chefsache sein

Probleme lösen sich nicht von selbst oder allein durchs darüber Reden, sondern durch entschlossenes, zielgerichtetes Handeln. Die einbrechenden Baugenehmigungen und Baufertigstellungen sind die sichtbaren Vorboten einer spürbaren Wohnungsknappheit schon in den nächsten Jahren. Dieser Trend hat das Potenzial, den gesellschaftlichen Frieden zu stören. Wir appellieren als IVD, den Wohnungsbau zur Sache der gesamten Bundesregierung zu machen. Es braucht eine Übereinstimmung und gemeinsames Handeln aller beteiligten Ressorts unter der Führung des Bundeskanzlers, um die notwendigen realitätsnahen und für private und gewerbliche Investoren verlässlichen Rahmenbedingungen zu schaffen und zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehört auch, dass die Länder und Kommunen mitziehen. Gerade Berlin, in den letzten Jahren ausschließlich als bau- und wohnungspolitischer Problemfall in Erscheinung getreten, hat jetzt die Chance, getreu dem Motto „Alles neu macht der Mai!“, nicht nur alles anders, sondern vor allem besser zu machen.

 

Über den Autor:

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IVD Bundesverband e.V.

Dirk Wohltorf – Vizepräsident des IVD Bundesverband
www.ivd.net

 

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