Einpersonenhaushalten

Die stark gestiegene Zahl von Einpersonenhaushalten

Eines der Hauptprobleme im Zusammenhang mit der Wohnungsknappheit in Ballungszentren ist die über die Jahre deutlich sinkende Bewohnerzahl pro Haushalt und in diesem Zusammenhang die inzwischen in den meisten Großstädten auf über 50% angestiegene Zahl von Einpersonenhaushalten (in Berlin z.B. 50,1 % in 2021). Während Haushalte mit vier, fünf oder gar mehr Bewohnern hinsichtlich des Pro-Kopf-Flächenbedarfs einen überschaubaren Flächenbedarf haben, sind es gerade die Einpersonenhaushalte die sehr viel Wohnfläche benötigen, etwas polemisch könnte man sogar sagen, dass hier ein gewisser Flächenfraß vorliegt.

Die Kombination aus Zuzug in Richtung der Ballungszentren und einem erheblichen Flächenbedarf durch sinkende Haushaltsgrößen, und hierbei speziell einem Anstieg an Einpersonenhaushalten führen letztendlich zu den Wohnungsproblemen der Großstädte. Oder anders ausgedrückt: die Bautätigkeit würde vielerorts ausreichen, den Zuzug einigermaßen zu kompensieren, gäbe es nicht den Spezialeffekt einer stetig steigenden Zahl an Einpersonenhaushalten. Hierbei gilt es zunächst einmal mit dem Irrglauben aufzuräumen, Einpersonenhaushalte beherbergen zumeist nur jüngere Menschen; dies ist in nicht der Fall. Daher wird hier auch das Wort Single-Haushalte, das gerade mit einer jüngeren Klientel assoziiert wird, tunlichst vermieden.

Vielmehr durchzieht das Einpersonen-Phänomen letztendlich die gesamten Altersbänder: also junge Menschen, wobei diese auch WGs nutzen, Menschen jenseits der dreißiger Jahre, die teilweise zwar in einer Partnerschaft leben, bei der aber beide Parteien weiterhin eine Wohnung unterhalten, quasi als persönliche Rückzugsmöglichkeit, auch wenn dies klassischer-weise als Luxus angesehen werden mag.

Und dann gibt es vielfach die Fälle, in denen ein Ehepaar in einer ursprünglich von einer ganzen Familie bewohnten Wohnung verbleibt, obwohl die Kinder längst ausgezogen sind und letztendlich gibt es die Konstellation, dass ein verwitweter Elternteil allein in dem früheren Familien-Domizil lebt. Dies sind letztendlich alles Fälle eines mehr oder weniger gravierenden überdurchschnittlichen Flächenverbrauchs, der schließlich den Druck im Kessel des Wohnungsmarktes noch weiter ansteigen lässt.

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Die Frage ist also, wie kann die Zahl dieser Einpersonenhaushalte reduziert oder aber zumindest deren weiterer Zuwachs eingedämmt werden? Zunächst einmal muss das Problem die-ser Pro-Kopf-technischen Mini-Haushalte mit der riesigen Pro-Kopf-Wohnfläche überhaupt erst einmal erkannt werden. Weiter ist es sinnvoll, die Flexibilität der Häuser und Wohnungen wo immer es geht zu erhöhen, sodass diese mit überschaubarem Aufwand an sich verändernde Bedarfs- oder Lebenssituationen angepasst werden können.

Gerade bei Doppel- und Einfamilienhäusern lässt sich eine Flächenverkleinerung, wenn man es denn will, relativ ein-fach im Planungsstadium als Option vorsehen. Die Idee ist letztendlich, das Haus so zu planen, dass ein reduzierter Wohnflächenbedarf in Form einer Einliegerwohnung wieder für den Wohnungsmarkt nutzbar wird.

Grundsätzlich muss dieses Einliegerwohnungskonzept nicht schon in der Bauphase realisiert werden, vielmehr sollte es aber als Option bereits angedacht sein. Eine derartige Option schafft ein hohes Maß an Flexibilität und kostet im Planungsstadium fast nichts und kann bei gutem Marketing sogar zu einem höheren Wiederverkaufspreis führen.

Notwendig sind letztendlich nur ein eigener Zugang, um die Abgeschlossenheit herstellen zu können, sowie eine Trennung der Elektro- und der Heizungskreisläufe. Grundsätzlich schafft eine Einliegerwohnung ein hohes Maß an Flexibilität: die Einliegerwohnung kann etwa als Büro, Unterkunft für eine Pflegekraft oder aber als separate Wohnung für die eigenen Kinder genutzt werden.

Und wenn schlussendlich die Finanzierung der Immobilie Probleme aufwirft, ist es möglich, sie am Anfang oder wann auch immer, zu vermieten, um entsprechende Einnahmen zu generieren. Am Ende eröffnet sie aber erhebliche Handlungsspielräume, etwa wenn die Kinder aus dem Haus sind oder wenn nur ein verbliebener Elternteil in dem Haus wohnt.

Dort wo nur noch eine verbleibende Person in einer vormaligen Familienwohnung wohnt (man spricht hier vom Remanenzeffekt), diese Fläche aber eigentlich nicht mehr benötigt, wäre es sinnvoll Beratungsprogramme aufzusetzen, die beim Wechsel in eine kleinere Wohnung oder bei der Unterteilung der bisherigen Wohnung helfen. Man könnte hier sogar noch deutlich weitergehen und über Incentives nachdenken, die Einzelpersonen schmackhaft machen oder helfen sollen möglichst reibungsfrei aus völlig überdimensionierten Wohnungen in kleinere Wohneinheiten zu wechseln.

Eine andere Möglichkeit wäre es, diese Wohnungen jenseits des Familienkreises für neue Wohnformen zu nutzen. Hinsichtlich dieser Wohnformen ist allerdings festzustellen, dass zwar viel experimentiert wurde, etwa in Richtung generationenübergreifendem Wohnen, dass sich aber letztendlich noch keine dieser Wohnformen zu einem Massenprodukt entwickelt hat, vielmehr fristen sie ein Nischendasein.

Die Gründe hierfür sind Akzeptanzprobleme, eine gewisse Grundträgheit der Menschen, die letztendlich vielfach möglichst lange in der bisherigen – inzwischen völlig überdimensionierten – Wohnung verharren wollen und letztendlich auch die Transaktionskosten die beim Wechsel in eine andere Wohnung entstehen.

Grundsätzlich ist es eine wichtige Aufgabe für Soziologen weitere Wohnmodelle zu kreieren, und es besteht die Notwendigkeit, sie durch ein entsprechendes Marketing als attraktive Option in die Entscheidungsprozesse der Betroffenen einzubringen. Denn eines ist klar: wenn wir das Problemfeld Einpersonenhaushalte nicht in Griff bekommen, wird es nicht möglich sein die Wohnungsprobleme in den Ballungsräumen zu lösen.

Von Prof. Stephan Kippes

 

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