Gebäude mit Geschichte: Einsteinturm Potsdam
Im Süden Potsdams auf dem Telegrafenberg steht ein für seine Entstehungszeit revolutionäres Bauwerk, das selbst zu heutiger Zeit futuristisch und ambitioniert wirkt: der Einsteinturm. Es wurde gebaut, um die Relativitätstheorie Albert Einsteins zu überprüfen.
Die besten Geschichten schreibt das Leben
Albert Einstein, der spätere Physik-Nobelpreisträger, arbeitete zwischen 1911 bis 1915 an seiner Relativitätstheorie und forderte die astronomische Fachwelt dazu auf, seine Theorien mit Experimenten zu überprüfen. Erwin Finlay Freundlich promovierte 1910 in Göttingen und arbeitete dann als Assistent an der Berliner Sternwarte, wo er Routinemessungen durchführte. Leo Wenzel Pollack, Privatdozent am Geophysikalischen Institut der Deutschen Universität Prag suchte 1911 per Rundschreiben für einen netten Professorenkollegen namens Albert Einstein Astronomen, die dessen Vorhersagungen zum Lichtablenkungseffekt im Schwerefeld experimentell überprüfen wollten. Die meisten erfahrenen Astronomen winkten ab, der latent gelangweilte Erwin Freundlich jedoch nahm die Herausforderung dankbar an und arbeitete ab da mit Einstein zusammen.
Erwin Freundlich war nicht nur promovierter Astronom, wie so viele Naturwissenschaftler hatte er auch einen Hang zur Kunst und spielte begeistert Cello. Durch diese Leidenschaft lernte er die Cellistin Luise Maas kennen, die Verlobte des Architekten Erich Mendelsohn. Der wiederum wird später Mitgründer von „Der Ring“ sein, einer Vereinigung führender Architekten des an die Internationale Moderne angelehnten Neuen Bauens in der Weimarer Republik, die sich 1933 im Rahmen der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten zwangsauflösen musste.
Mendelsohns progressive Ideen ließen sich hervorragend mit den bahnbrechenden Theorien Einsteins verbinden und so geschah es, dass schließlich durch den persönlichen Kontakt Erich Freundlichs mit Mendelsohn dieser mit dem Bau des Observatoriums betraut wurde und die Kompetenzen zweier progressiver Köpfe unterschiedlicher Disziplinen zusammengeführt wurden.
Der Bau
Es war klar, dass das geplante vertikale Teleskop auf einem eigenen Fundament stehen sollte und somit recht unabhängig von dem eigentlichen Gebäude, was eher als Schutzhülle dienen sollte – was Mendelsohn große gestalterische Freiheit ermöglichte. Mendelsohn wollte in seinem Bau moderne Technik und Baustoffe, Mathematik und Physik reflektieren und entwarf den Einsteinturm, den Einstein selbst als „organisch“ bezeichnete, womit Mendelsohn sehr einverstanden war. Das herausragende Beispiel expressionistischer Architektur gehandelte Objekt wurde schließlich am 6. Dezember 1924 eingeweiht und erinnert in seiner fließenden Optik eher an das futuristische Design der 1950er Jahre.
Da das Bauen mit Beton zur Erstehungszeit noch relativ unausgereift war, waren bereits relativ früh Sanierungen nötig, im zweiten Weltkrieg zerstörte überdies eine in der Nähe explodierte Luftmine Gebäudeteile. Die gründlichste Sanierung erfolgte dann in den 1990er Jahren.
Die Forschung
Bereits kurz nach der Inbetriebnahme des Teleskops zeigte sich, dass der Nachweis Einsteins Theorien schwieriger zu erbringen war als gedacht. Der Effekt der Rotverschiebung konnte erst in den 1950er Jahren erbracht werden. Der Bau war aber so angelegt, dass weiter Instrumente und Geräte problemlos installiert werden konnten. Für die Ausbildung von Studierenden hat der Einsteinturm auch heute noch erhebliche Bedeutung.
Der Einsteinturm in Zeiten des Nationalsozialismus
Gleich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verlor der Einsteinturm seinen Namen und wurde in „Institut für Sonnenphysik” umbenannt. Der aus einer jüdischen Familie stammende Einstein wurde 1934 strafausgebürgert und es verwundert so nicht, dass die ursprünglich im Arbeitszimmer stehende Bronzebüste Einsteins eingeschmolzen werden sollte. Nach Ende des zweiten Weltkriegs zeigte sich dann, dass findige Mitarbeiter des Instituts diese im Spektografenraum hinter Kisten versteckt und somit gerettet hatten. Heute steht die Büste im Eingangsbereich des Turmes. Erwin Freundlich fiel durch seine jüdische Großmutter unter den sog. „Arierparagraphen“ und verließ 1933 Deutschland. Auch das Ehepaar Mendelsohn emigrierte 1933 und nahmen die englische Staatsbürgerschaft an.
Besichtigung
Das Innere des Einsteinturms ist nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Termine gibt es auf Absprache mit der URANIA Potsdam. Einen Eindruck vom Inneren des Gebäudes können Sie aber mit Klick auf untenstehenden Youtube-Link erhaschen – der Kurzfilm entstand als Prüfstück zum Berufsabschluss zum Mediengestalter Bild und Ton.
Quellen:
Bilder:
Wikipedia, Maria Theis & Marcus Winter
Inhalt:
Wikipedia
Urania Potsdam
Youtube