Gebäude mit Geschichte – Kunsthaus Tacheles in Mitte
Zwischen Kunst, Kultur und Korn. Das Tacheles, ursprünglich ein Kaufhaus, weist eine bewegte Geschichte durch Jahrzehnte und Systeme auf. Wie es war, was es wurde und wie es wird – eine Zeitreise.
Geschichte
Das als Kunsthaus Tacheles bekannt gewordene Gebäude befindet sich in Mitte und verband ursprünglich die Friedrichstraße mit der Oranienburger Straße. Es wurde in nur 15 Monaten als zweitgrößte Einkaufspassage der Stadt 1908 fertiggestellt. Das Konzept sah vor, die Läden nicht strikt voneinander zu trennen, sondern nur an einer zentralen Stelle zu kassieren. Nur ein halbes Jahr später nach Eröffnung musste es Konkurs anmelden. Auch ein weiterer Kaufhaus-Versuch von Wolf Wertheim ging schief, das Gebäude wurde 1914 zwangsversteigert – bis 1924 ist die weitere Nutzung nicht bekannt oder belegt.
Obwohl das Gebäude während des Zweiten Weltkriegs nicht stark beschädigt wurde, sollte es aus statischen Gründen abgerissen werden – denn eine Sanierung hatte nie stattgefunden. 1980 schließlich begann man mit dem Abriss, auch die wunderschöne, gut erhaltene Stahlbeton-Kuppel fiel dem Abriss zum Opfer. Der letzte Teil des Abrisses sollte 1990 erfolgen – aber da kam die Wende dazwischen.
Besetzung und kreative Nutzung nach der Wende
Bereits im Februar 1990 wurde das Gebäude von der „Künstlerinitiative Tacheles“ besetzt, deren Name zunehmend eins mit dem Gebäude wurde. Neuere Gutachten ergaben eine gute Bausubstanz und so wurde der Gebäuderest unter Denkmalschutz gestellt. Das Gebäude wurde zum Hotspot für alle möglichen Künstlerinnen und Künstler aus Ost und West, was keineswegs konfliktfrei ablief, dennoch wurde der Tacheles e.V. zu einem großen Kunst-, Aktions-, Veranstaltungs- und Kommunikationszentrum in Berlin mit rund 30 Künstlerateliers, Ausstellungsflächen, Verkaufsräumen, Programmkino und Bar.
Kaufen und Verkaufen
1998 erwarb die Fundus-Gruppe das Grundstück für knapp 3 Millionen Mark. Ein Entwurf für ein Quartier am Johannishof wurde bis heute nicht umgesetzt. Der Tacheles e. V. handelte einen Mietvertrag mit dem neuen Eigentümer aus, der bis zum 31. Dezember 2008 galt, ein neuer konnte danach nicht ausgehandelt werden. Eine geforderte Nutzungsentschädigung von über 100.000 Euro konnte der Verein nicht bezahlen und meldete Ende 2009 Insolvenz an. Ein Termin zur Zwangsversteigerung in 2011 wurde kurzfristig abgesagt. Die Gastronomiefraktion im Tacheles verließ das Gebäude gegen einen Zahlung von 1 Million Euro, aber rund 80 Künstlerinnen und Künstler verblieben mit ihren Ateliers auf dem Gelände. Im März 2012 wurde das Tacheles nach einem Räumungsversuch erst für Besucher gesperrt, die Räumung dann aber für rechtswidrig erklärt. Dennoch wurde das Kunsthaus Tacheles im September 2012 endgültig geräumt, wobei es lediglich einen symbolisch-künstlerischen Protest gab.
Danach steht das ehemalige Kunsthaus erst mal lange Zeit ungenutzt und leer da. 2016 schließlich sollten endlich Bagger rollen – aber dann machte ein archäologischer Fund diesem Ansinnen ein Ende, mittlerweile baut und baggert man wieder. Was kommt? Man wird sehen. Bisher ist noch keine Voraussage am Ende eingetroffen.
Bedeutung
Dieses „verrückte, vermüllte, irgendwie völlig undeutsche Symbol ungeahnter Freiheiten, diesen seltsamen Mikrokosmos, in dem sich Verfall und Aufbruch umarmten und der die Zeile aus der alten DDR-Nationalhymne „Auferstanden aus Ruinen“ auf unerwartete Weise mit Leben füllte“ (Spiegel Online) steht symbolträchtig für die junge Nachwendezeit, in der viele Häuser besetzt und kreativ umgemünzt wurden. „Zwischennutzung“ war das Wort der Stunde. Berlin umgab plötzlich der Flair des New York der 1980er Jahre, eine kreative und aufgeladene Athmosphäre von „Anything goes“ wehte durch nunmehr geeinte Stadt. Das Tacheles wurde zum Tourismusmagnet, Berlin zum Immobilien-Klondike.
Die wilden Zeiten sind vorbei – wer die wilden 90er noch mal aufleben lassen will, geht jetzt ins Museum: https://nineties.berlin/de.
Bildquelle: Wikipedia
Quellen:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Kunsthaus_Tacheles
- http://www.spiegel.de/einestages/szene-mythos-tacheles-a-949670.html
- https://www.berliner-zeitung.de/berlin/erinnerungen-an-das-tacheles-vom-kaufhaus-zum-kuenstlertreff-29710832
- http://www.bushtrash.de/bilder/tacheles/tacheles.htm
- https://www.berliner-zeitung.de/berlin/szenekiez-oranienburger-strasse-die-magie-wird-mit-baustellenplanen-erstickt-31470858
- https://www.berliner-woche.de/mitte/c-bauen/tacheles-areal-wird-ausgebaggert_a160052