Grundstückshandel – Differenzierte Preisabrede für Vorkaufsfälle teilweise unwirksam
Wurde eine verkaufte Mietwohnung dem Mieter überlassen (dieses Datum kann vom Mietvertragsdatum abweichen), besteht für den ersten Fall des Verkaufs nach einer späteren Begründung von Wohnungseigentum ein Vorkaufsrecht des Mieters. Das Mietervorkaufsrecht nach § 577 Abs. 1 BGB wird im Grundbuch nicht eingetragen und kann teilweise übersehen werden, insbesondere dann, wenn das Anlegen von Wohnungsgrundbüchern unerwartet lange dauerte (zum Beispiel bei Insolvenz des verkaufenden Bauträgers) und alleine aus diesem formellen Grund die Vermietung schon vor der verzögerten Anlegung der Wohnungsgrundbücher erfolgte. Der Erwerb der Eigentumswohnung hat für den Mieter wegen der Eigennutzung einen anderen wirtschaftlichen Wert als der Erwerb durch einen Dritten, der eine vermietete Wohnung erwirbt. Teilweise wird in Kaufverträgen daher eine differenzierte Preisgestaltung aufgenommen, bei welcher ein Abschlag für den Dritterwerber vorgesehen wird, wenn er das Eigentum nicht mietfrei übertragen erhält. In einem solchen Fall hatte ein berliner Mieter das Vorkaufsrecht ausgeübt, den höheren Kaufpreis gezahlt, später vom Verkauf allerdings die Rückzahlung der Preisdifferenz verlangt. Im betroffenen Kaufvertrag war eine Klausel aufgenommen, die vorsah, dass „soweit der Mieter sein Vorkaufsrecht ausübt oder der Verkäufer dem Käufer binnen eines Monats nach Beurkundung nachweist, dass das Mietverhältnis aufgelöst oder gekündigt ist, der eigentliche Kaufpreis gilt; anderenfalls mindert sich der Kaufpreis um 10 %“. Diese Klausel war nur bei den Kaufverträgen des Verkäufers über vermietete Wohnungen mit Mietervorkaufsrecht enthalten. Das Landgericht hatte den Verkäufer auf Rückzahlung der Differenz verurteilt, da die Preisgestaltung eine unzulässige Umgehung und Beeinträchtigung des Mietervorkaufsrechts darstelle, § 577 Abs. 5 BGB. Die hiergegen gerichtete Berufung des Verkäufers wies das Kammergericht mit Urteil vom 02.10.2020 – 17 U 18/18 – zurück. Auch das Kammergericht hält die Preisgestaltung für unwirksam wegen des Verstoßes gegen § 577 Abs. 5 BGB. Das Kammergericht vertritt dabei ausdrücklich eine andere Ansicht als das Bayerische Oberste Landesgericht, welches solche Klausel billigt. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof wurde ausdrücklich zugelassen, es ist daher damit zu rechnen, dass im kommenden Jahr eine Klarstellung durch den Bundesgerichtshof zu solchen Klauseln ergeht.
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Profitipp:
Preisdifferenzierungsklauseln bei Mietervorkaufsrechten sind in Berlin bis auf weiteres risikobehaftet, bestehende Erwerbsabsichten der Mieter sollten daher im Vorfeld geklärt werden, um Vorkaufssituationen zu vermeiden.
Ulrich Joerss Rankestraße 26, 10789 Berlin
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