Kompetent einschätzen – die 7 häufigsten Fallen bei der Marktwertermittlung
„Was ist meine Immobilie wert?“ Der erfahrene Makler, der seinen Markt kennt, nennt seinem Kunden sofort einen realisierbaren Preis. Doch hat der Kunde eine höhere Zahl im Kopf, wird er eine plausible Begründung für die abweichende Einschätzung verlangen. Mit Bewertungskompetenz können Makler im Wettbewerb punkten. Doch bei der Wertermittlung gibt es einige Fallen, von denen die häufigsten 7 im Folgenden beschrieben werden.
Falle Nr. 1 – Kaufpreisangebote sind keine Vergleichspreise
Ihr Auftraggeber bittet Sie, seine Eigentumswohnung in einer Großstadt zu bewerten. Hier bietet sich das Vergleichwertverfahren an, da in Ballungsräumen fast immer eine ausreichende Anzahl vergleichbarer Kaufpreise bzw. geeignete Vergleichsfaktoren vorliegen. Wenden Sie das Vergleichspreisverfahren an, achten Sie darauf, nur tatsächlich realisierte Kaufpreise mit in Ihre Marktwertermittlung einzubeziehen. Kaufpreisangebote und Verkaufsangebote sollten Sie nicht für Wertermittlungszwecke einsetzen. Das sehen Deutschlands höchste Richter übrigens genau so (u.a. BGH-Urteil vom 05.04.1973). Die Online-Tools für die Wertermittlung auf einigen Immobilien-Portalen basieren lediglich auf Angebotspreisen. Hier können Sie sich als professioneller Makler mit seriösen Marktwertermittlungen vom Wettbewerb abheben.
Falle Nr. 2: Falsche Berücksichtigungen von Ertragsbesonderheiten
Sie sind gerade dabei, für einen Kunden den Ertragswert eines Mietshauses zu ermitteln und studieren die Liste mit den Mietzahlungen. Da liegt es nahe, mit genau diesen Zahlen zu arbeiten.Vorsicht: Bei der Ermittlung des Immo-WertV-konformen Ertragswertes ist es wichtig, dass Sie immer mit den marktüblich erzielbaren Mieten rechnen und nicht mit den am Wertermittlungsstichtag tatsächlich bestehenden Mietzahlungen. Die ImmoWertV regelt in § 8 Abs. 3, dass von den marktüblich erzielbaren Erträgen erheblich abweichende Beträge als besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale (boG) zu berücksichtigen sind. Das gilt sowohl für Mehr- als auch für Mindermieten.
Falle Nr. 3: Nicht sachgemäße Anrechnung von Flächen
Der stolze Besitzer einer Altbauwohnung beauftragt Sie, den Mietwert seiner Bleibe zu ermitteln. Beim Blick in den Grundriss bemerken Sie, dass das Schlafzimmer ein „gefangener Raum“ ist, der lediglich durch das Arbeitszimmer zu erreichen ist. Neben diesem „gefangenen Raum“, haben Sie mit dem Arbeitszimmer also zusätzlich noch einen Durchgangsraum. Und diesen Durchgangsraum sollten Sie mit einem verminderten Wohnwert ansetzen, indem Sie aus dem Verhältnis der wohnwertabhängig anrechenbaren Grundfläche und der nach Wohnflächenverordnung anrechenbaren Grundfläche einen Korrekturfaktor ermitteln.
Falle Nr. 4: Unzureichende Berücksichtigung von Lagevorteilen oder störender Einflüsse
„Lage, Lage, Lage.“ Diese Immobilienweisheit rückt den besonderen Stellenwert der Lage für den Grundstückswert ins rechte Licht und stellt Sie vor besondere Herausforderungen. Sie möchten den Bodenwert eines in einem reinen Wohngebiet liegenden Einfamilienhausgrundstückes mit hervorragender Aussichtslage ermitteln. Nun werden in den zonalen Bodenrichtwerten in der Regel die wesentlichen Lageeinflüsse im Richtwert berücksichtigt. Liegt das betreffende Grundstück aber am Rande der Bodenrichtwertzone, können dennoch kleine Lageunterschiede bestehen. Die Bodenrichtwerte sind für die durchschnittliche Lage definiert und müssen von Ihnen mit sachgemäß ermittelten oder geschätzten Zu- oder Abschlägen berücksichtigt werden. Je nachdem ob Ihr Bewertungsgrundstück innerhalb der Bodenrichtwertzone eines der wenigen ist, das freien Blick auf das Flusstal oder das Gewerbegebiet eröffnet. Ein Blick auf die Bodenrichtwerte der Nachbarzone hilft Ihnen oftmals schon weiter.
Falle Nr. 5: Wert der Außenanlagen im Sachwertverfahren
Auch wenn Ihnen das sicher bewusst ist, bei vielen Ihrer Kollegen hat sich das noch nicht festgesetzt: Ein Nebengebäude ist keine Außenanlage! Außenanlagen sind alle auf dem Grundstück befindlichen und mit diesem fest verbundenen Anlagen, die nicht Bestandteil des Gebäudes sind. Zu nennen sind da etwa Klärgruben, Einfriedungen, Stützmauern, Fahnemasten, Zapfstellen oder auch Tennisplätze. Der Wert der Außenanlagen beträgt bei Einfamilienhäusern in der Regel 4% – 10% des Gebäudesachwertes. Einen sehr viel höheren Wert wird der Markt nicht bereit sein zu akzeptieren. In bestimmten Fällen müssen Sie für Außenanlagen sogar einen Wertabschlag anbringen. Haben Sie z.B. eine Klärgrube auf einem Grundstück, das demnächst an die Abwasserversorgung angeschlossen wird, so muss dies in der Regel in die Bewertung mit einfließen.
Falle Nr. 6: Achten Sie auf modellkonformes Arbeiten
Ob Vergleichwert-, Ertrags- oder Sachwertverfahren – welches Sie anwenden, obliegt schlussendlich Ihnen. Wenn Sie sich für ein Verfahren entschieden haben, ist es jedoch unverzichtbar, dass Sie die Modellparameter (z.B. Gesamtnutzungsdauer, Bezugsgröße, Bewirtschaftungskosten) benutzen, die auch bei der Ableitung der verwendeten Marktdaten (z.B. Sachwertfaktor, Liegenschaftszinssatz oder Vergleichsfaktor) angesetzt wurden. Es ist immer in demselben Modell zu bewerten, in dem die Marktdaten auch abgeleitet wurden. Klingt selbstverständlich, ist aber immer wieder ein Fallstrick.
Falle Nr. 7: Falsche Wahl des Wertermittlungsverfahrens
Die berühmte „Maklerformel“ kennen Sie sicherlich: Jahresreinertrag des Objektes geteilt durch den Kapitalisierungszinssatz. Diese sehr vereinfachte Form des Ertragswertverfahrens hat auch sicherlich ihre Stärken.
Bei der Marktwertermittlung gilt aber: Je nach Gebäudetyp und insbesondere je nach Qualität der vorhandenen Marktdaten sollten Sie für jeden einzelnen Fall neu überlegen, welches Wertermittlungsverfahren am sinnvollsten ist. Das Ergebnis nach der Maklerformel weicht oftmals zu dem Marktwert, auf den Sie mit einem Gutachten kommen, stark nach oben ab.
Autor: Sebastian Drießen