Der Berliner Mietendeckel – ein ideologisches Projekt

Der Berliner Mietendeckel – ein ideologisches Projekt

Das im Volksmund „Mietendeckel“ genannte Gesetz MietenWoG Bln, das am 23. Februar in Berlin in Kraft trat, ist wohl eins der umstrittensten Gesetze der Nachkriegszeit. In diesem Artikel fasst Joachim Schaller seine Gedanken dazu zusammen.

 

Großer Wurf oder juristisch fragwürdig?

Es betrifft ca. 1,5 Mio. private Mietwohnungen. Was der rot-rot-grüne Senat selbst als großen Wurf zum Mieterschutz feiert, ist juristisch und wirtschaftlich höchst umstritten. Bundestagsabgeordnete von CDU und FDP haben eine abstrakte Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Politisch wird der Mietendeckel von der Opposition als populistisches Wahlgeschenk in der Mieterstadt Berlin (85 % Mieter) bewertet. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass es um weit mehr geht und mit dem Mietendeckel eine völlige Umstrukturierung der Wohnungswirtschaft eingeleitet werden soll – bis hin zum völligen Systemwechsel.

Das klingt krass, doch es gibt unzählige Indizien, dass der Mietendeckel tatsächlich ein zutiefst ideologisches Projekt ist, angetrieben von der Partei „Die Linke“, im Verbund mit den starken linken Flügeln der beiden anderen Koalitionspartner.

 

Entstehung und Zusammenhänge

Um die Zusammenhänge zu verstehen, muss man zurückgehen ins Jahr 2018. In einem Aufsatz in der JuristenZeitung bejahte der Assessor Peter Weber aus dem Bezirksamt Pankow eine landesrechtliche Kompetenz zur Etablierung eines öffentlich-rechtlichen Mietpreisrechts, unabhängig vom sozialen Mietrecht des BGB. Dieser Artikel wurde im Januar 2019 von den drei SPD-Politikern Högl, Zado und Wegner aufgegriffen. Sie schlugen ein fünfjähriges Mietenmoratorium vor. In der Koalition war man sich rasch einig, einen solchen „Mietendeckel“ – der Name stand früh – für Berlin in ein Landesgesetz zu gießen.

In dem dann folgenden Diskussions- und Gesetzgebungsprozess bis hin zur Verabschiedung des Deckel-Gesetzes übernahm infolge der Ressortzuständigkeit die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) der Senatorin Katrin Lompscher („Die Linke“), die Federführung. Man kann hier von einer regelrechten „Kaperung“ des Themas durch „Die Linke“ sprechen, da wesentliche Teile des heutigen Gesetzes nicht mehr der Ursprungsidee der drei SPD-Politiker entsprechen.

 

Fräse statt Deckel

Statt eines simplen Einfrierens der Mietpreise für fünf Jahre sind nun Mietobergrenzen definiert, die auf den Mittelwerten des Mietspiegels 2013 (Daten von 2018 – 2011) basieren. Danach richten sich nicht nur Wiedervermietungen, sondern es sollen auch Mieten in Bestandsverträgen abgesenkt werden. Der „Deckel“ wird damit zur „Fräse“. Neu ist auch, dass die Wohnlagen bei Neuvermietungen keine Bedeutung mehr haben sollen, ebenso wenig die Wohnungsgrößen. Eine Wohnung derselben Baualtersklasse soll am Ku‘damm das Gleiche kosten wie in Marzahn.

Der wesentliche Unterschied liegt in der linksextremen, radikalen Eigentumskritik der Partei „Die Linke“ und ihr nahestehender außerparlamentarischen Gruppierungen. Das Manifest einer linksextremen Stadtentwicklungspolitik ist die Streitschrift „Das rote Berlin. Strategien für eine sozialistische Stadt“ der Interventionistischen Linken. Diese Gruppe agiert offiziell außerhalb der Strukturen der Partei „Die Linke“, formuliert aber dennoch den ideologischen Überbau der Wohnungspolitik der Linkskoalition.

Die mittel- und langfristige Strategie der extremen Linken lautet Verstaatlichung aller Wohnungen. Zur Erreichung dieses Ziels werden Etappenziele wie der Mietendeckel und das „Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ vorgeschaltet.

Das Mitglied dieser BVV Charlottenburg-Wilmersdorf Niklas Schenker, ein Mitarbeiter der Linken-MdB Carola Ley und ein ehemaliger Referent von Katrin Lompscher lassen in einem Aufsatz in der Zeitschrift der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung keinen Zweifel an der Stoßrichtung des Mietendeckels: Nur eine Etappe auf dem Weg zur „Vergesellschaftung“, „Vergemeinschaftung“ oder „Demokratisierung“ von Wohnraum.

 

Bestrafung für angebliche „Wuchermieten“?

In einem Beitrag zur „Strategiekonferenz“ der „Linken“ in Kassel  zu Jahresbeginn hat das Mitglied des Abgeordnetenhauses und Mitautorin des MietenWoG Bln Gennburg benannt, was der Mietendeckel in erster Linie ist: Klassenkampf. Für die extreme Linke soll der Narrativ „Mietenwahnsinn“ oder die „Mietenexplosion“ das explosive Gemisch sein, bei dem ein Funken genügen würde, um das revolutionäre Feuer zu entzünden. Man stellt sich vor, dass die Berlinerinnen und Berliner in einer Volksabstimmung für die Enteignung von Wohnungskonzernen mit einem Bestand von über 3.000 Wohnungen votieren sollen. Die Grünen und der Berliner Mieterverein sind dem Volksbegehren zur Enteignung beigetreten.

Eine weitere ideologische Stoßrichtung der Mietendeckler ist die Vorstellung, Vermieter für angebliche „Wuchermieten“ „bestrafen“ zu müssen. Der Berliner Grünen-Vorsitzende Graf sagt in einem Video auf YouTube, dass Vermieter, die in den letzten Jahren (legale) Mieterhöhungen vorgenommen haben, mit dem Mietendeckel „bestraft“ werden sollen. Gleiches ließ der Regierende Bürgermeister Müller verlauten, der legal auf Basis des Mietspiegels angepasste Mieten als „Wuchermieten“ bezeichnete.

 

Die „Atempause“ – eine politische Lüge

Wie ein Tweet des Mietendeckel-Initiators Zado aus dem April 2019 zeigt, war es von Anfang an NICHT geplant, den Mietendeckel auf nur fünf Jahre zu begrenzen. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kızıltepe formulierte am 20.01.2020 in einem Beitrag für den Tagesspiegel:

„Bereits jetzt ist absehbar, dass nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden. Doch ohne ausreichend Neubau wird eine Verlängerung des Mietendeckels unumgänglich. Andernfalls entlüde sich der Verdrängungsdruck nach fünf Jahren umso heftiger.“

 

„Leistungsloses Einkommen“ – Wir nehmen es den Vermietern weg!

Die wohnungspolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus Spranger formulierte auf Twitter: „Der Mietendeckel ist die beste, preisgünstigste und konsequenteste Möglichkeit, um leistungslose Vermietungsgewinne auf Kosten der Berlinerinnen und Berliner zu begrenzen.“

Mit der Überprüfung des Mietendeckel-Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht entscheidet sich in den nächsten 1-2 Jahren das Schicksal der Wohnungspolitik des Berliner Senats. Es steht zu befürchten, dass ein Scheitern des Gesetzes und wohl auch des Volksbegehrens dazu führen wird, dass das Linksbündnis in der Stadt neue desaströse Versuche unternehmen wird, regulierend in den Berliner Wohnungsmarkt einzugreifen. Stichworte: Immobilienregister, Umwandlungsverbot und Ausweitung des Milieuschutzes auf die ganze Stadt. Es stellt sich die Frage, wer noch in den Mietwohnungsbau investieren wird, wenn dieses durch staatliche Überregulierung zu einer toxischen Geldanlage mutiert. In diesem Falle hätte das Linksbündnis ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zur „Vergesellschaftung“ erreicht, nämlich die Zerstörung des Marktes.

Der schwedische Sozialdemokrat und Volkswirt Assar Lindbeck formulierte es treffend: „Nur Bombardements sind effektiver als Mietpreisregulierungen, wenn man Städte zerstören will.“

 

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Bild: © ViktoriiaNovokhatska – Adobe Stock