Übergabeklausel

Mietervorkaufsrecht bei Eigentumswohnungen

Bundesgerichtshof: Höherer Kaufpreis für Mieter unwirksam

Wird ein Mehrfamilienhaus in Wohnungseigentum aufgeteilt, besteht für Bestandsmieter bei Erstverkauf bekanntermaßen ein Vorkaufsrecht (§ 577 Abs. 1 BGB). Kauft ein Mieter die von ihm genutzte Wohnung durch Ausübung des Vorkaufsrechts, kann er in der Regel davon profitieren, dass der Kaufpreis wegen der Vermietung unter dem vergleichbaren Kaufpreis für eine bezugsfreie Wohnung liegt. Auf diese Situation reagierten in der Vergangenheit verschiedene Immobilienverkäufer mit einer differenzierten Kaufpreisgestaltung: Im Kaufvertrag mit dem Erstkäufer wurde der Kaufpreis in der Höhe für eine bezugsfreie Wohnung vereinbart. Für den Käufer wurde eine Absenkung des tatsächlich zu zahlenden Kaufpreises vorgesehen, sofern er die Wohnung nicht ohne ein Mietverhältnis mit einem Dritten übernehmen könne. Übte nun der Mieter das Vorkaufsrecht aus, entfiel nach dem Wortlaut dieser Regelung die Kaufpreisreduzierung für ihn als Mieter. Er war schließlich an kein Mietverhältnis mit Dritten gebunden.

Mietervorkaufsrecht bei Eigentumswohnungen 3

Solche Kaufpreisregelungen wurden lange Zeit als wirksam behandelt. Im vergangenen Jahr hatte das Berliner Kammergericht eine solche Klausel allerdings für unwirksam erklärt. Gegen dieses Urteil des Kammergerichts wurde Revision vor dem Bundesgerichtshof erhoben. Mit der Entscheidung VIII ZR 305/20 liegt seit 2022 nun die Entscheidung des BGH zu dieser Situation vor, in welcher er urteilt: „Die in einem Kaufvertrag getroffene Abrede, wonach der vorkaufsberechtigte Mieter einen höheren Preis zu bezahlen hat, als der Erstkäufer, stellt eine … unwirksame Vereinbarung … dar.“ Dem Urteil liegt der Fall zugrunde, dass eine Mieterin das Vorkaufsrecht über die von ihr bewohnte 46,6 m² große, unsanierte Wohnung ausübte. Der Kaufpreis war mit 163.266,67 € vereinbart, für den Erstkäufer war eine Reduzierung des Kaufpreises um 10 % auf 146.940,00 € vorgesehen, sofern er ein Mietverhältnis übernehmen müsse. Die Mieterin zahlte unter Vorbehalt den vollen Kaufpreis und verlangte später vom Verkäufer 16.326,67 € zurück. Die Rückzahlungsklage der Mieterin hatte in allen Instanzen Erfolg. Die differenzierte Klausel über den Kaufpreis sei unwirksam, so die Gerichte. Während das Landgericht und das Kammergericht die Unwirksamkeit aus § 577 Abs. 5 BGB herleiten, nach welchem eine Vereinbarung unwirksam ist, welche vom Vorkaufsrecht zu lasten des Mieters abweiche, sieht der Bundesgerichtshof die Unwirksamkeit in § 464 Abs. 2 BGB begründet, nach welchem der Mieter durch das Vorkaufsrecht in denselben Vertrag eintritt, den der Erstkäufer abgeschlossen habe. Da der Erstkäufer nur den niedrigeren Kaufpreis zahlen müsse, gelte dies auch für den vorkaufenden Mieter.
 

Praxistipp

Die in der Vergangenheit auch von der Rechtsprechung für wirksam betrachteten Kaufpreisdifferenzierungen für vorkaufsrechtsgebundene Eigentumswohnungen sind unwirksam. Die Kaufpreiskalkulation beim Verkauf von Eigentumswohnungen muss sich wirtschaftlich daher auf das gesamte Objekt verteilen, Kompensationseffekte aus differenzierten Kaufpreisgestaltungen bieten keine Absicherung.

 

RA und Notar Ulrich Joerss - https://www.joerss.com

Ulrich Joerss
Rechtsanwalt und Notar

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