Die Besteuerung von Photovoltaikanlagen/ EStG
Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022 für die Besteuerung von Photovoltaikanlagen
Einkommensteuer 2022- Einnahmen und Entnahmen aus Photovoltaikanlagen
In der Einkommensteuer ist durch das Jahressteuergesetz 2022 – rückwirkend – zum 1.1.2022 – in § 3 Nr. 72 EStG eine Steuerbefreiung für Einnahmen und Entnahmen aus bestimmten Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) eingeführt worden.
Bisherige Regelung
Wer den mit seiner Photovoltaikanlage erzeugten Strom nicht ausschließlich privat verbraucht, sondern zum Teil auch an den Netzbetreiber verkauft hat, erzielte damit Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V. mit Abs. 2 EStG. Wollte man die anfänglichen Verluste steuerlich geltend machen, musste man dem Finanzamt darlegen, dass man die Absicht hat, mit der Anlage einen sog. Totalgewinn zu erzielen, und die Anlage dazu trotz der anfänglichen Verluste geeignet ist. Er musste deshalb eine Gewinnermittlung erstellen und mit seiner Einkommensteuerklärung beim Finanzamt einreichen.
Da die Gewinnermittlungen nicht nur für die Steuerpflichtigen, sondern auch für die Finanzämter einen erheblichen Arbeitsaufwand verursacht haben, sucht man schon seit einiger Zeit nach einer Vereinfachung. Nachdem eine gesetzliche Lösung durch das JStG 2020 zunächst gescheitert war, hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 29.10.2021 (BStBl. I 2021, S. 2202) die Möglichkeit eröffnet, einen Antrag zu stellen, dass der Betrieb der Anlage als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei behandelt wird. Voraussetzung hierfür war, dass
- alle von einem Steuerpflichtigen betriebenen Anlagen zusammen höchstens über eine installierte Gesamtleistung von 10 kW/kWp verfügten und.
- der erzeugte Strom neben der Einspeisung in das öffentliche Netz ausschließlich in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verbraucht wurde. Die Nutzung des Stroms durch einen Mieter oder zu betrieblichen Zwecken war dagegen schädlich.
Der Antrag musste auch bei sog. Altanlage, die nach dem 31.12.2003 und vor dem 1.1.2022 in Betreib genommen worden sind, bis zum 31.12.2022 gestellt werden.
Die neue Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 72 EStG
Durch das Jahressteuergesetz 2022 ist eine neue Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen eingeführt worden, die – rückwirkend – ab dem Veranlagungszeitraum 2022 auch für Altanlagen gilt.
Begünstigte Anlage
Steuerfrei sind alle Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von
a) auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden (Gewerbeimmobilien) vorhandenen PV-Anlagen mit einer installierten Bruttoleistung lt. Marktstammdatenregister von bis zu 30 kWp
und
b) auf, an oder in sonstigen Gebäuden (Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Gebäude) vorhandenen PV-Anlagenmit einer installierten Bruttoleistung lt. Marktstammdatenregister von bis zu 15 kWp je Wohnung oder Gewerbeeinheit.
Insgesamt sind jedoch höchstens 100 kWp je Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft begünstigt.
Freilandanlagen werden durch § 3 Nr. 72 EStG nicht begünstigt. Die Einnahmen und Entnahmen sind wie bisher zu versteuern, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.
Da die Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb derartiger Anlagen gem. § 3 Nr. 72 von der Einkommensteuerbefreit sind, dürfen gem. § 3 c Abs. 1 EStG auch keine Betriebsausgaben mehr geltend gemacht werden. Ob für Wartungskosten die Inanspruchnahme des § 35 a EStG in Betracht kommt, ist bisher noch nicht geklärt.
Auch die Veräußerung einer PV-Anlage, die die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllt, ist ab 2022 steuerfrei.
Wird die Anlage durch eine Personengesellschaft betrieben, kommt es nicht zu einer gewerblichen Infektion der Vermietungseinkünfte nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG (§ 3 Nr. 72 Satz 3 EStG).
Die Steuerbefreiung gilt auch für alte Anlagen für die Einnahmen und Entnahmen, die ab dem 1.1.2022 erzielt werden (§ 52 Abs. 4 Satz 27 EStG).
Unterschiede gegenüber dem BMF-Schreiben vom 29.10.2021
Gegenüber dem BMF-Schreiben vom 29.10.2021 weist die neue gesetzliche Regelung insbesondere folgende Unterschiede auf:
- Die zulässige Gesamtleistung der Anlage ist angehoben worden.
- Auf die Nutzung des erzeugten Stroms kommt es nicht mehr an.
- Begünstigt sind auch Anlagen auf Gewerbegebäuden und gemischt genutzten Gebäuden.
- Ein Antrag ist nicht erforderlich; es gibt kein Wahlrecht.
Vermögensverwaltende Personengesellschaften
Gehört das Grundstück einer Einzelperson, werden die gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb der PV-Anlage und die Vermietungseinkünfte steuerlich getrennt erfasst. Gehört das Grundstück einer Personengesellschaft, hatte der Betrieb einer PV-Anlage durch den Vermieter bisher die Folge, dass dadurch die Vermietungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert wurden (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Man spricht von der sog. Abfärbe- oder Infektionsregelung. Dadurch zählte die Immobilie zum Betriebsvermögen, sodass eine steuerfreie Veräußerung auch nach Ablauf von 10 Jahren nicht möglich war. Eine Ausnahme wurde lediglich in sog. Bagatellfällen gemacht, in denen die gewerblichen Nettoeinnahmen 3 Prozent der Gesamteinnahmen der Gesellschaft und den Betrag von 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum nicht übersteigen. Personengesellschaften musste man daher bisher dringend von der Installation einer PV-Anlage abraten.
Für diese Fälle enthält § 3 Nr. 72 Satz 3 EStG eine Sonderregelung: Erfüllt die PV-Anlage die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72, findet die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG keine Anwendung, sodass die Vermietungseinkünfte nicht in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert werden.
Verwendung des erzeugten Stroms aus einer Photovoltaikanlage für betriebliche Zwecke
Da es für die Anwendung der neuen Steuerbefreiung nicht mehr auf die Verwendung des erzeugten Stroms ankommt, gilt die Steuerbefreiung auch bei Verwendung des Stroms für betriebliche Zwecke.
Veräußerung der Photovoltaik-Anlage
Wird das Grundstück zusammen mit der PV-Anlage veräußert, sind die PV-Anlage und das Grundstück gesondert zu beurteilen. Denn die PV-Anlage ist nicht Bestandteil des Grundstücks, sondern stellt eine Betriebsvorrichtung dar. Dies gilt m.E. auch nach der neuen Steuerbefreiung, sodass der Teil des Kaufpreises, der für die PV-Anlage gezahlt wird, weiterhin nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG vor, sind nicht nur die Einnahmen und Entnahmen aus dem Betrieb der Anlage steuerfrei, sondern auch ein Veräußerungserlös.
Gesetzestext § 3 Nr. 72 EStG
Steuerfrei sind die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb
a) von auf, an oder in Einfamilienhäusern (einschließlich Nebengebäuden) oder nicht Wohnzwecken dienenden Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 30 kW (peak) und
b) von auf, an oder in sonstigen Gebäuden vorhandenen Photovoltaikanlagen mit einer installierten Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit,
insgesamt höchstens 100 kW (peak) pro Steuerpflichtigen oder Mitunternehmerschaft. Werden Einkünfte nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt und sind die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei nach Satz 1, ist kein Gewinn zu ermitteln.
In den Fällen des Satzes 2 ist § 15 Absatz 3 Nummer 1 nicht anzuwenden.
Über den Autor:
Hans-Joachim Beck, ehemaliger Vorsitzender Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg, leitet die Abteilung Steuern in der IVD-Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Mitgliedsunternehmen können sich kostenfrei beraten lassen.
Ausserdem hält er regelmäßig Webinare und Veranstaltungen rund um steuerliche Themen beim IVD Bildungsinstitut.
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