Quo vadis, Immobilienmakler?
In diesem Interview befragt Dr. Thomas Langenberg (Leiter Marketing und Vertrieb der m2 MediaGroup GmbH) den Mitgründer von Immobilienscout24 Jürgen Böhm zum Thema „(Über)leben in der digitalen Welt und warum der Weg zurück zum Print führt“.
Sehr geehrter Herr Böhm. Ende der 1990er Jahre haben Sie Immobilienscout24 mitgegründet. Heute ist Immobilienscout24 für Immobilienmakler fast nicht mehr wegzudenken. Warum?
Im Kern haben wir es damals geschafft, für alle Beteiligten ein tolles Produkt zu bauen. Allerdings ist der Immobilienscout nicht (mehr) das einzige „Allheilmittel“ für Immobilienmakler. Es gibt neben dem Immobilienscout viele andere tolle Produkte auf dem Markt. Gerade in der heutigen Zeit mit Apps, Social Media, Artificial Intelligence und Blockchain kommen jeden Monat neue Spieler, Produkte und Angebote dazu.
Der moderne Immobilienmakler von heute akquiriert und überzeugt heute also über digitale Kanäle?
Ja, weil die Online-Welt heute viele Probleme löst. Nein, weil die heutige Online-Welt einen Punkt erreicht hat, der die Print-Welt zu neuem Glanz erstrahlen lässt.
Wie meinen Sie das?
Sehen wir uns das Thema Objektakquise an. Heute spielen Google und Facebook eine ganz entscheidende Rolle: Eigentümer-Kontakte und Verkaufsaufträge sammeln Immobilienmakler am besten online: Organisch über gute Inhalte und „bezahlt“ über Anzeigenkampagnen. Theoretisch richtig, praktisch sind zwei Dinge passiert:
- Die vermeintlich einfache Welt der Online-Werbung ist heute unglaublich facettenreich, flexibel, dynamisch und damit kompliziert geworden. Theoretisch gibt es alle Möglichkeiten zu werben, praktisch hat ein Immobilienmakler gar nicht die Zeit, sich hier in das Detail hinein zu fräsen mit dem Ergebnis, dass er viel Lehrgeld bezahlt.
- Online-Werbung ist, so ehrlich müssen wir sein, teuer geworden. Ich kenne kaum noch „Suchbegriffe“ auf Google im Immobilienumfeld, mit denen Sie für unter 1 Euro oder 1,50 Euro den Klick einkaufen können. Und wir reden hier über einen Klick. Das ist noch lang kein Verkaufsauftrag.
Vor dem Hintergrund unregelmäßiger Umsätze ein schweres Unterfangen. Hier hat der Makler nur zwei Möglichkeiten.
- Entweder sitzt er auf einer soliden Position im Markt mit dicken Werbebudgets und kann diese mit Hilfe einer Spezialagentur effektiv einsetzen.
- Hat er diese Budgets jedoch nicht, was in der Regel der Fall ist, dann muss er kreativ werden.
Kreativ werden inwiefern?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel, auch wenn das aus meinem Mund etwas ironisch klingen mag. Jeder stürzt sich heute auf Online. Immer weniger Akteure in der Immobilienwirtschaft haben das gute Print noch auf der Platte. Dabei sind es gerade junge, digital verliebte Menschen, die ein gutes Stück Papier, einen Prospekt oder eine Zeitung schätzen.
Das müssen Sie mir erklären…
Papier macht zufriedener: Als Angel-Investor in Tech-Start-Ups habe ich viel gesehen. Eine Sache fällt mir auf. Wir Menschen entwickeln eine latente Unzufriedenheit, dass in der Online-Welt nie Schluss ist. Ein Facebook-Feed hört nie auf. Ein Instagram-Bilder-Stream hat immer neue Bilder parat. Wir haben das Gefühl nie fertig zu sein, das Gefühl verloren einen Text oder ein Thema abschließend behandelt zu haben. Das ist auf Dauer unbefriedigend.
Papier ist authentisch: Durch den quasi kostenfreien Zugang zum Internet für jedermann und unzählige Tools, online Texte zu verfassen, Bilder hochzuladen oder Videos zu veröffentlichen, ist es heute sehr leicht, jede Art von Botschaft zu veröffentlichen. Egal ob sie nun korrekt, politisch sauber, Satire oder einfach nur falsch ist.
Papier macht Spaß: Nehmen Sie eine Zeitung oder eine Broschüre. Die sehen Sie sich an, auch wenn Sie gar nichts kaufen wollen oder Sie eigentlich gar nicht vor hatten sie zu lesen. Sie schmökern darin, Sie betrachten die bunten Bilder (und vielleicht weniger den Text). Es gibt keine Probleme mit Connectivity oder langsamen Ladezeiten. Sie können es immer lesen, egal ob im Flugzeug, im Taxi oder beim Warten. Oder ganz entspannt gemeinsam auf der Couch im so genannten Lean-Back-Modus.
Papier lädt zum Kaufen ein: Wie oft ist es ihnen schon so ergangen, dass Sie eigentlich nichts kaufen wollen und beim Schmökern in einer Broschüre, einem Katalog oder in der Zeitung etwas entdeckt und später gekauft haben? Und dieser Mechanismus funktioniert 1:1 so in der Immobilienbranche.
Also eine neue Chance für Immobilienmakler?
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Eigentümer oder ein Vermieter. Ihr lokaler Immobilienmakler versorgt Sie regelmäßig, aber nicht zu oft, mit qualitativ gut gemachten Flyern, Broschüren, Zeitungen oder Magazinen, die direkt in Ihrem Briefkasten landen. Im Gegensatz dazu werden Sie online per Email, per Banner-Anzeigen oder auch per Social-Ads von Werbebotschaften „bombardiert“, die einmal mehr und einmal weniger passen. Was glauben Sie, welche Botschaften bleiben Ihnen im Kopf hängen?
Sie sagen also, dass sich ein Immobilienmakler heute mehr im Bereich Print engagieren sollte?
Ja. Aber es muss richtiggemacht werden. Die Art und Weise, wie ein Makler mit Print heute erfolgreich sein kann, unterscheidet sich stark von vor 20 Jahren. Das fängt bei den Preismodellen an, geht bei den Formaten der Print-Produkte weiter und hört bei den Wegen auf, auf denen der Leser über Print in Kombination mit Online erreicht werden kann. Ein schönes Beispiel ist da Ihr Immobilienmagazin, das meiner Vision recht nahekommt. So ein Produkt mit diesen Leistungen in Punkto Außenwirkung und Generierung von Eigentümer-Kontakten wäre vor 20 Jahren quasi unvorstellbar und nicht bezahlbar gewesen.
Das klingt alles sehr konkret. Heißt das, Sie arbeiten gerade an einer neuen Offensive zu der Revolution, die Sie vor 20 Jahre mit Immobilienscout24 gegen die etablierten Verlagshäuser angestoßen haben?
Lassen Sie sich überraschen!
Autor: Dr. Thomas Langenberg