Schafft Corona Moral ab – oder Reputationsgewinn?
Lesen wir das Wort „Moral“ denken wir schnell an althergebrachte Vorstellungen. Dabei ist Moral in der CSR (Corporate Social Responsibility) ein wichtiger Faktor. Über Moral im Business ist schon zuhauf gesprochen und geschrieben worden. Hat Corona eine Veränderung gebracht und wenn ja, wie äußert sich diese?
In der Corona-Krise zeigen sich viele große Unternehmen ihren Mitarbeitern, Kunden oder auch Mitbewerbern gegenüber verbunden. So hat z.B. die Deutsche Telekom Datenvolumen verschenkt, TV-Sender ihre Film- und Serienangebote für alle Kunden freigeschaltet und Kulturinstitutionen haben uns an Aufführungen und Konzerten kostenlos teilhaben lassen.
Rein solidarisch ist dieses Entgegenkommen allerdings nicht, denn Solidaritätsaktionen sind auch immer ein Stück PR und damit imagegewinnend. Ist das verwerflich? Jedenfalls lassen sich Moral, Uneigennützigkeit und Eigennutz in diesen Fällen recht schwer voneinander trennen.
Moral und Ethik versa wirtschaftlicher Ziele?
Ein großer Konflikt entsteht, wenn Chefs moralisch und ethisch führen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Ziele vorantreiben wollen. Gerade durch diese fast unlösbare Situation ist es unumgänglich, das eigene Handeln zu hinterfragen und Entscheidungen verantwortungsvoll abzuwägen. Die Einhaltung der Werte und Normen sollte den langfristigen Interessen der Firma dienen. Um so mehr ist dies in Krisenzeiten zu bedenken denn Werte und Normen sind Grundsteine der Unternehmens-Moral.
Moral muss sich für Unternehmen rechnen – so der Anspruch – und sie tut es häufig, weil auf den Märkten moralische Integrität und soziales Engagement von Aktionären, Mitarbeitern und Konsumenten honoriert werden. Unsere heutige Gesellschaft fordert, dass zunehmend Wert auf umweltverträgliche Produkte, humane Arbeitsbedingungen und faire Gewinnverteilungen gelegt wird.
Das erfolgreiche Unternehmen orientiert sich an den gewünschten Verhaltensstandards und lässt sich daran messen. Allerding haben diese gesellschaftlichen und politischen Anforderungen nur dann eine Chance auf Umsetzung im Unternehmen, wenn sie direkt zur Wertsteigerung beitragen. Rentabilität, Produktivität und moralische Prinzipien ringen somit um Wertschätzung.
Es ist also für Firmen und Konzerne wichtig, moralische Überzeugungen in der eigenen Unternehmenskultur darzustellen. Zum Beispiel indem Gehaltszahlungen der Mitarbeiter in Kurzarbeit auf 100% aufgestockt werden. Das ist ein starkes Signal an die Belegschaft. Ebenso wichtig ist, dass Chefs sich bewusst machen, dass sie eine Vorbildfunktion haben und daher verantwortungsvoll abwägen, welche Auswirkungen ihr eigenes Handeln auf andere hat.
Schafft Corona Moral ab – Moral der Führungskräfte
Während es in der Finanzkrise in den Jahren 2001 und 2008 ausschließlich ums Geld ging, geht es in der aktuellen Krise der Pandemie um Solidarität, soziale Verantwortung, Gemeinschaft, Vertrauen und Moral.
Dennoch denkt offenbar nur jede vierte Führungskraft regelmäßig über moralische Fragen nach und jede fünfte Person gibt zu, nur teilweise oder sogar gar nicht nach ihren moralischen Überzeugungen zu handeln – so eine Studie „Führungskräftebefragung 2019“, die von der Wertekommission und der Technischen Universität München jährlich durchgeführt wird.
Werden Werte und Moral nicht in den Unternehmensalltag integriert und durch alleHierarchien hindurch gelebt, verursachen sie Widersprüche und Irritationen. Diese Wahrnehmung auf Seiten der Mitarbeiter ist schwer aushaltbar und führt zu Unglaubwürdigkeit, was der Intention des Unternehmens völlig zuwiderläuft. Moralisches Fehlverhalten in und von Unternehmen ist zudem selten ein Problem Einzelner, die die klare Absicht haben, den Kunden, der Gesellschaft oder der Umwelt zu schaden.
Das Dilemma liegt in dem Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen an verantwortliches Handeln und vertrauenswürdiges Verhalten einerseits und profitmaximierenden Zielen andererseits. Das zeigt sich daran, dass Führungskräfte zwar moralisches Verhalten fordern, die gesetzten Zielvorgaben des Unternehmens dies aber häufig erschweren oder gar unterlaufen.
Werden beispielsweise jedes Quartal neue Rekorde an Verkaufs- und Leistungskennzahlen gefordert und hängen davon Bonuszahlungen und Beförderungen ab, führt das dazu, dass verantwortliches Verhalten eher unterdrückt oder sogar unverantwortliches Verhalten belohnt wird. Somit gerät der moralische Anspruch ins Wanken.
Bei der Essener Gagfah Group wurde 2004 bei der Übernahme einiger Wohneinheiten eine Sozialcharta unterzeichnet, “die im ganzen Unternehmen ,Gesetz’ ist”, wird betont. Man müsse die Rahmenbedingungen schon deshalb verbindlich fassen, da sonst die mittelfristigen Ziele auch vergessen würden. „Irgendwann kommt allerdings auch die Gier wieder durch. Deshalb ist es besonders wichtig, sich auf Werte zu besinnen“, sagt Rolf Glessing, Vorstandsmitglied der IVG Immobilien AG.
Professor Daniel Pinnow, Deutscher Managementtrainer, sieht zwischen Ethik, Moral und Profit in der Immobilienbranche keinen Widerspruch. „Nur wer sich anständig verhält, wird langfristig noch akzeptable Renditen erwirtschaften.“ Mehr dazu lesen Sie im Artikel der Stuttgarter Zeitung „Kann denn Ethik Sünde sein?“
Allerdings hat sich erwiesen, dass unmoralisches Verhalten nur selten Sanktionen erfährt, berichten Führungskräfte. Aktuell sind solche Verhaltensweisen ohnehin schwer zu erkennen, oder gar zu kontrollieren, da die meisten Mitarbeiter nach wie vor remote arbeiten. Wird ein unethisches Verhalten aufgedeckt, bleibt es meist ohne jede Konsequenz, was einen negativen Lerneffekt für Betroffenen und die Mitarbeiter zur Folge hat.
Moral der Mitarbeitenden
Laut einer Studie der amerikanischen Psychologin Taya Cohen gilt, dass Mitarbeiter mit einer ausgeprägten moralischen Persönlichkeit sich stärker für ihr Unternehmen engagieren als solche, bei denen ethische Aspekte eine untergeordnete Rolle spielen. Dies hat auch in Krisenzeiten Bestand.
Cohen untersuchte gemeinsam mit ihren Kollegen moralische Eigenschaften von Arbeitnehmern wie Ehrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Feinfühligkeit, Selbstbeherrschung und die Auswirkungen auf deren tägliche Arbeit. „Moralische Personen schädigen das Unternehmen weniger, engagieren sich mehr, verhandeln fair und werden seltener straffällig, zitiert die Zeitschrift „Wirtschaftspsychologie aktuell“ die Ergebnisse, die im “Journal of Personality and Social Psychology” publiziert wurden.
Erwiesenermaßen arbeiten Mitarbeiter im Homeoffice überwiegen verantwortungsbewusster und engagierter als antizipiert. Sie arbeiten eher intensiver und oftmals produktiver als im Büro, je nach häuslicher Situation konzentrierter, manches Mal innovativer und engagierter. Das entgegengebrachte Vertrauen wird demzufolge meistens erfüllt.
Wichtig zum Erhalt der Arbeitsmoral sind Motivationsfaktoren, transparente Kommunikation und persönliche Beziehung zu den Mitarbeiter. Es braucht ein größeres Engagement seitens der Führungskräfte, um Ängste in Hinblick auf Jobsicherheit und Vergütung zu dämpfen. Moralisches Verhalten sollte erkennbar vorgelebt werden.
Fazit
Das Coronavirus hat einige Umbrüche mit sich gebracht und viele ethische Fragen aufgeworfen. Ethik und Moral haben nach wie vor einen unübertroffenen Stellenwert. Vertrauen und Verantwortung haben sich auch in diesem für alle schwierigen Jahr als die wichtigsten Werte bestätigt – so eine Studie. Danach folgen Integrität, Respekt, Nachhaltigkeit und Mut. Die Reihenfolge bleibt seit Jahren unverändert.
Mehr Themen finden im Blog www.balogh-coaching.de
Britta Balogh
Trainerin beim IVD Bildungsinstitut
Systemischer Coach für Führungskräfte, Karriere Coach und Autorin
Tel.: 030 / 83 22 46 40