Städte und Regionen im Wandel – Ein Überblick aktueller Entwicklungen 1

Städte und Regionen im Wandel – Ein Überblick aktueller Entwicklungen

Die Zukunft von Städten und Regionen ist weder das Ergebnis zufälliger Entwicklungen, noch determiniert. Dr. Stefan Carsten ist Zukunftsforscher und Stadtgeograf. Er kombiniert in seiner Arbeit die Themenfelder Zukunft, Stadt und Mobilität und hat das IVD-Publikum bereits beim #BBIT2019 in Potsdam begeistert – lesen Sie nun seinen Artikel im IVD-Magazin.

 

Was bringt die Zukunft?

Wenn heute antizipiert wird, dass im Jahr 2050 rund 70% der Menschheit in Städten leben wird, dann ist dies nur eine Sicht auf mögliche Entwicklungsoptionen. Entscheidungen einer Vielzahl von Akteuren führen jedoch dazu, dass nicht nur eine Zukunft möglich ist, sondern viele alternative Zukünfte. Einige variieren mitunter nur in geringen Ausprägungen, andere jedoch fundamental. Zum Beispiel, wenn eine Familie den Umzug von der Stadt aufs Land diskutiert, weil dies inzwischen technisch möglich ist, ohne wirtschaftliche Einbußen erfahren zu müssen und es gesünder ist, als in der Stadt zu leben. Spätestens mit der Eröffnung der Ausstellung „Countryside: Future of the World“ konzipiert von dem holländischen Architekturbüro OMA, die voraussichtlich im Frühjahr 2020 in New York gezeigt wird, wird diese Debatte den medialen Diskurs in Deutschland erreichen.

Auch wenn die Zukunft offen ist, braucht es Orientierungswissen bezüglich der zukünftigen Gestalt (Urbanisierung / Metropolisierung / Ruralisierung) und der wesentlichen Ausprägungen der Perspektiven von Städten und Regionen (Raum & Fläche, Technologie & Innovationen, Soziales & Lebensqualität, Verkehr & Mobilität). Weder ein lineares Fortschreiben von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft noch eine Resignation und Frust über den Verlust von Gewissheiten, die nicht mehr gelten, ist die richtige Strategie. Sich mit den zukünftigen Perspektiven von Städten und Regionen auseinanderzusetzen, ist vor diesem Hintergrund nur konsequent.

 

Der Umbau der Städte verschiebt sich immer stärker in Räume, die noch vor wenigen Jahren als nicht entwicklungsfähig galten

Die vergangenen Jahre waren gekennzeichnet von einer schier nicht enden wollenden Transformation urbaner Brachflächen. Freiflächen, die eine Stadt zum Steuern zukünftiger Trends und Herausforderungen braucht, sind heute kaum noch vorhanden. Gleichzeitig drängen städtebauliche Entwicklungen immer mehr in Lagen, die vor wenigen Jahren als nicht entwicklungsfähig galten (Gleisanlagen, Schnellstraßen, Randlagen). Obwohl die Bundesregierung das Ziel ausgegeben hat, den Flächenverbrauch im Jahr 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, kann davon bei aktuell rund 60 Hektar (vgl. auch Umweltbundesamt) weiter keine Rede sein. Trotzdem stimmt der Trend, denn schließlich lag der Verbrauch zu Beginn des Jahrtausends noch bei 120 Hektar. Die Fragen nach der Bedeutung der Landschaft, nach Erholungsräumen, Artenschutz und vor allem Nutzräumen für Lebens- und Futtermittel werden drängender und beschäftigen bereits diverse Landesregierungen, die nicht zuletzt durch Bürgerinitiativen aktiviert wurden. Braucht es den neuen Supermarkt auf der grünen Wiese, wenn in der Innenstadt alteingesessene Versorger des alltäglichen Bedarfs aufgeben müssen? Gilt gleiches nicht auch für die Versorgung mit Wohnraum? Die Region der Stadt könnte somit die Zukunft der Stadt bestimmen, nicht, weil hier ausufernde Flächen zur Verfügung stehen würden, sondern weil das Potenzial zur Verdichtung höher ist (die Niederlande beweisen gerade, dass Hochhäuser auch im suburbanen Raum angenommen werden). Während die Bevölkerung Berlins heute 59% des Agglomerationsraumes ausmacht, sind es lediglich 19% in Paris, 39% in London oder 40% in New York. Diese Entwicklungen werden sich auch in Deutschland immer stärker räumlich niederschlagen, hier wird sich zeigen, ob Architektur und Immobilienwirtschaft diesen Raum anders bespielen kann als in der Vergangenheit.

 

Die soziale Dimension wird für die Zukunft der Stadt immer wichtiger

Der Trend zur Suburbanisierung ist durch die Investitionspotenziale in diesen Räumen bereits angelegt. Der Unterschied zwischen der heutigen Suburbanisierung und der vorherigen Suburbanisierungswelle, die in den 1960er Jahren begann, ist enorm: damals wollten die Menschen in den Vorort ziehen, zukünftig müssen sie. Parallel zum gestiegenen Preisdruck in den attraktiven innenstädtischen Lagen, steigen somit die sozialen Herausforderungen der Stadt. Während sich auf der einen Seite die Stadt der Wohlhabenden, der Kulturliebhaber, der digitalen Elite konzentriert, stehen immer häufiger MieterInnen unter Druck, überhaupt eine Wohnung in einem bevorzugten Viertel zu finden, bzw. sind mit der Frage konfrontiert, wie lange sie sich ein Leben in ihrem Kiez überhaupt noch leisten können. Der Zusammenhang vom Leben in der Stadt und der psychischen Gesundheit der Bevölkerung wird dabei für immer mehr Menschen zu einer wichtigen Frage. Urbane Stressfaktoren wie Lärm, Emissionen und Dichte sorgen für einen Anstieg psychischer Erkrankungen. Was ist verantwortlich für den Stadtstress der Bevölkerung und wie kann dieser zukünftig verhindert werden? Viele StadtbewohnerInnen entscheiden sich vor diesem Hintergrund bereits für ein Wochenendhaus oder –garten auf dem Land, sofern sie es sich leisten können.

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Die smart Stadt wird die Herausforderung der Stadt nicht lösen können

Die drei letzten Moden der Stadtentwicklung lauteten: die nachhaltige Stadt, die resiliente Stadt und die smarte Stadt. Keine diese Moden hat bzw. wird sich jemals realisieren, da alle als Prozess zu begreifen sind, in dem es keinen determinierten Endpunkt gibt. Heutige smart cities weisen noch immer ein recht geringes Niveau an Intelligenz auf. Tatsächlich gibt es auch erste Beispiele, die gegenteilige Effekten belegen, sprich: shared mobility führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Verkehr; smart homes reduzieren nicht den Energieaufwand, sondern erhöhen ihn; Überwachungskameras erhöhen zwar Aufklärung von Verbrechen, womöglich aber auf Kosten fundamentaler Menschenrechte. Und die Wette auf eine bessere Zukunft ist gänzlich unklar. Ein Grund für mögliche Fehlentwicklungen ist darin zu sehen, dass allzu häufig Innovation mit Technologie gleichgesetzt wird, ohne jedoch soziale, ökologische und oder ökonomische Aspekte zu berücksichtigen. Genau diese Aspekte greifen immer mehr SozialunternehmerInnen auf, um die sozialen, ökologischen und ethischen Herausforderungen in den Griff zu bekommen und damit sogar noch Geld zu verdienen. Und auch dabei hilft natürlich die Technologisierung der Gesellschaft, indem sie Transparenz und Kontrolle ermöglicht.

 

Verkehrsbelastungen nehmen trotz neuer Mobilitätsdienstleistungen weiter zu

Mobilität in Ballungsräumen könnte unter den zuvor skizzierten Entwicklungen und Perspektiven eine Schlüsselrolle spielen. Auch wenn Mobilitätsdienstleistungen heute in vielen Städten auf dem Vormarsch sind, nimmt die Verkehrsbelastung und Immobilität außerhalb der Innenstädte weiter zu, weil die Angebote auf die Stadteile beschränkt sind, in denen die Mobilität ohnehin schon am höchsten ist. Dort, wo in Zukunft die größten Bevölkerungsgewinne verzeichnet werden – in den Randlagen und den Vororten – ist die Mobilität weiterhin gering, da es für die Anbieter ökonomisch nicht lukrativ ist und neben dem Auto, kaum Alternativen vorhanden sind, da der ÖPNV bereits stark ausgedünnt ist. Die Mobilität verringert sich also vom Stadtzentrum bis aufs Land. Nur wenn an zukünftigen Wohnorten eine Verknüpfung von Immobilie und alternativen Mobilitätsangeboten vorzufinden ist, wird sich das Mobilitätsverhalten und damit die Verkehrssituationen in den Städten anpassen. Gleiches gilt auch in Bezug auf die Autonomisierung der Mobilität, die häufig als Inbegriff einer menschenwürdigen, autofreien Stadt dargestellt wird. Ebenso häufig wird allerdings diskutiert, ob sich autonome Mobilität vielmehr als verkehrliche Sackgasse herausstellen wird. Wenn nämlich durch autonomes Fahren einer weiteren Dezentralisierung und Zersiedlung urbaner Räume Vorschub geleistet wird: längere Pendeldistanzen könnten in einem autonom dahinfließenden bzw. stehenden Verkehr in Kauf genommen und toleriert werden, so dass der überfüllte ÖPNV gemieden und dafür längere Pendeldistanzen und -wege im Auto genutzt werden. Wenn das passiert, werden Städte nicht nur die Parkraumbewirtschaftung ausweiten, sondern auch über eine (Innen-)Stadtmaut intensiv nachdenken.

 

Lösungsmuster in Sicht?

Lösungen für die vorab skizzierten Dilemmata finden sich bereits an unterschiedlichen Orten innerhalb und außerhalb Europas, jedoch punktuell und kaum systemisch vernetzt. Trotzdem gibt es Muster, die für eine attraktive, nachhaltige Stadtentwicklung sprechen und die gleich einem Baukasten angewendet werden können:

  • Städte verdichten sich weiter, sowohl in die Höhe als auch in die Tiefe, in der Vorstadt, im Zwischenraum als auch in der Innenstadt. Immer stärker wird dabei auf grüne und intelligente Architekturkonzepte zurückgegriffen.
  • Die gesunde Stadt entwickelt sich immer stärker zum Leitbild. Eine aktive Mobilitätsgestaltung (per Fahrrad, zu Fuß) ist ein wesentlicher Teil davon.
  • Städte bereiten sich baukulturell auf den Klimawandel vor. Sowohl die aktive Vermeidung von klimaschädlichen Einwirkungen als auch die passive Anpassung werden immer wichtiger.
  • Die Straße bleibt der wichtigste Verkehrsraum der Stadt. Das Fahrrad übernimmt jedoch immer mehr Funktionen, die früher allein dem Auto vorbehalten waren (spez. innenstädtische Pendlermobilität und Logistik).
  • Durch den Fokus auf die urbane Lebensqualität wird der öffentliche Stadtraum intensiver genutzt und steht immer mehr im Zentrum von Bildungs- und Partizipationsangeboten.
  • Fahrzeuge, Räume, Gebäude und Straßen werden immer stärker multifunktional genutzt.
  • Eine gute smart city ist mehr als nur technisch ‚smart’, da sie es schafft, ihre digitalen Angebote den BewohnerInnen der Stadt mit einem echten Mehrwert zu übermitteln.

 

Immobilienpreisservice 2019/2020

 

Bildquelle: Gerd Altmann auf Pixabay, IVD