Übergabeklausel
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Ulrich Joerss, Rechtsanwalt und Notar

Die Übergabeklausel im Immobilienkaufvertrag

Übergabeklausel im Immobilienkaufvertrag: Die richtige Gestaltung auswählen

Bei Zahlung des Kaufpreises wird dem Käufer die Immobilie üblicherweise übergeben. Das muss nicht immer so sein. Teilweise ist die Übergabe für den Verkäufer erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

In anderen Fällen steht die Immobilie leer und der Käufer ist auf die Übergabe schon vor Zahlung des Kaufpreises angewiesen. Hier sind verschiedene, an den Bedarf der Vertragsparteien angepasste Regelungen möglich.

Von entscheidender Bedeutung ist es dabei, dass sowohl die Absicherung des Verkäufers, als auch des Käufers für den Fall unerwarteter Umstände im Blick behalten wird.

Übergabe bei Kaufpreiszahlung sofort oder zum Monatsbeginn

Üblicherweise enthält der notarielle Kaufvertrag die Regel, dass der Besitz an der Immobilie mit Nutzen und Lasten bei Zahlung des Kaufpreises auf den Käufer übergeht. Hier sind im Wesentlichen zwei Konstellationen festzustellen:

a) Die Übergabe erfolgt einen Tag nach Eingang der Kaufpreiszahlung. So wird am sichersten geregelt, dass der wirtschaftliche Vorteil dem Käufer unmittelbar nach dem Erbringen seiner Leistung (Kaufpreiszahlung) zukommt.

b) In Einzelfällen wird aus Gründen der Praktikabilität gewählt, dass der Übergang erst zum Monatsersten stattfindet, der auf die Kaufpreiszahlung folgt. Hierdurch können Abgrenzungen erleichtert werden, z. B. die Zuordnung der Mieterlöse oder der Betriebskosten.

Bei kleineren Objekten kann dies den Übergabeaufwand erleichtern oder auch bei solchen Objekten, bei denen Nutzen und Lasten sich in etwa ausgleichen. Bei Objekten mit höheren Erträgen, wie Mehrfamilienhäusern sollte die taggenaue Übergabe gewählt werden, um Nachteile zu vermeiden.

Wird der Kaufpreis z. B. am 2. September gezahlt, ist es nicht zu vertreten, dass die Mieterträge dem Käufer erst ab Oktober zustehen. Auch bei Leerstandsobjekten ist der Käufer in der Regel an einer möglichst schnellen Übergabe interessiert, um die Immobilie entweder selbst zu nutzen oder einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen, was einer schnelleren Übergabe bedarf.

Übergabe zu späterem festen Datum

In verschiedenen Fällen ist dem Verkäufer die Übergabe erst zu einem späten Datum möglich, bspw. weil er die Folgeimmobilie noch nicht beziehen kann oder er den Kaufpreiserhalt zur Finanzierung seiner Folgeimmobilie benötigt.

Sofern das Datum der Übergabe feststeht, kann der Nutzungswert der Immobilie für den Zeitraum ab der Kaufpreiszahlung bis zur Übergabe berechnet und im Kaufpreis mindernd einkalkuliert werden.

Die Herausgabe der Immobilie sollte durch eine diesbezügliche Vollstreckungsunterwerfung des Verkäufers im Kaufvertrag abgesichert werden, bei zu erwartenden Räumungskosten durch einen zusätzlichen Kaufpreiseinbehalt, der mögliche Beräumungskosten abdeckt und erst nach Übergabe zur Zahlung fällig wird.

Ein Mietvertrag sollte in solchen Fällen nicht begründet werden, da anderenfalls der von den Parteien anfänglich nicht gewünschte Mieterschutz zu unerwünschten Problemen führen könnte.

Übergabe zu unbestimmtem Datum

Soll der Verkäufer den Besitz der Immobilie nach Kaufpreiszahlung im Einverständnis mit dem Käufer noch eine unbestimmte Dauer behalten dürfen, ist Einberechnung einer Nutzungsentschädigung im Kaufpreis nicht möglich.

Es bietet sich hier an, zwischen den Parteien eine angemessene Nutzungsentschädigung zu vereinbaren, wobei auch die Kosten der laufenden Bewirtschaftung zu berücksichtigen sind. Dieser Betrag kann monatlich festgelegt werden, wobei für angebrochene Monate festgelegt werden sollte, ob diese vollständig, nach angebrochenen Wochen oder 10-Tages-Zeiträumen berücksichtigt werden sollen.

Es sollte ein Datum festgelegt werden, zu welchem die Immobilie spätestens zu beräumen und zu übergeben ist. Beräumung und Übergabe sollten im Kaufvertrag durch eine Vollstreckungsunterwerfung des Verkäufers abgesichert werden. Möglicherweise zu erwartende Beräumungskosten sollten durch einen Einbehalt des Kaufpreises abgesichert werden, der erst nach ordnungsgemäßer Übergabe auszuzahlen ist.

Je nach Bonität des Verkäufers kann die Nutzungsentschädigung ebenso als Einbehalt ausgestaltet werden. In diesen Fällen sollte der Käufer die Zahlung der Gebäudeversicherung überwachen, damit keinesfalls eine Versicherungslücke eintritt.

In vielen Fällen treffen die Parteien auch eine Vereinbarung für den Fall einer zwischenzeitlichen Verschlechterung der Immobilie, die wirtschaftlich vom Verkäufer zu tragen sind. Reparaturen oder Instandsetzungen sollten dann nur im Einvernehmen mit dem Käufer gestaltet werden.

 

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Schnelle Übergabe – Notaranderkonto

Die Einrichtung von Anderkonten ist Notaren nach dem aktuellen Beurkundungsgesetz nur in Ausnahmefällen gestattet, in denen ein berechtigtes Sicherungsinteresse der Vertragsparteien besteht. Alleine der Wunsch der Vertragsparteien zur Einrichtung eines Anderkontos ist nicht ausreichend.

Die Vorgaben des Beurkundungsgesetzes sollen unnötige Gebühren für Anderkonten vermeiden und auch das Risiko fehlerhafter Zahlungsabwicklungen. Finanzielle Transaktionen sollen möglichst den darauf spezialisierten Banken vorbehalten bleiben. Bei der Abwicklung von Immobilienkaufverträgen kommen Anderkonten daher nur noch in wenigen Fällen zum Tragen. Hierzu gehört eine beschleunigte Übergabe des Kaufgegenstands.

Soll die Übergabe einer Eigentumswohnung sofort erfolgen, können die zu sicheren Zahlung des Kaufpreises erforderlichen Formalitäten (Verwalterzustimmung, Vormerkung im Grundbuch und Unterlagen zur Lastenfreiheit) in der Regel nicht vorher erlangt werden.

In diesem Fall wird der Kaufpreis zur Übergabe regelmäßig auf einem Anderkonto hinterlegt, was der Absicherung des Verkäufers dient, dass der Käufer über ausreichende Mittel verfügt, auf welche der Verkäufer ggf. zugreifen kann.

Für diese Konstellation ist zu klären, welche Anforderungen eine finanzierende Bank an die Zahlung auf das Anderkonto stellt. Verlangt die finanzierende Bank dieselben Voraussetzungen wie für eine Direktzahlung des Kaufpreises, bliebe der zeitliche Vorteil aus.

Zusammenfassung: Die Übergabeklausel im Immobilienkaufvertrag

Für die Abstimmung der zeitlichen Abfolge von Kaufpreiszahlung und Übergabe ist zunächst festzustellen, welche Dauer die vor Zahlung des Kaufpreises durchzuführenden Formalitäten in Anspruch nehmen werden.

Die Vorstellungen bzw. Notwendigkeiten auf Verkäuferseite und Käuferseite zur zeitlichen Nutzung der Immobilie und wirtschaftlicher Verfügbarkeit des Kaufpreises sind ebenso zu klären. Sofern diese Faktoren zeitlich nicht übereinstimmen, können Kaufpreiszahlung und Übergabe oft an die Gegebenheiten angepasst werden.

Bedingung muss stets bleiben, dass die Leistungen von Verkäufer und Käufer im Kaufvertrag gleichermaßen abgesichert werden. Hierzu kann auf folgende Maßnahmen zurückgegriffen werden:

  • Im Kaufpreis einkalkulierte pauschale Nutzungsentschädigung,
  • laufzeitabhängige Nutzungsentschädigung,
  • Kaufpreiseinbehalt für Nutzung und Beräumung,
  • Festlegung der spätesten Übergabe,
  • Vollstreckungsunterwerfung des Verkäufers wegen der Räumung,
  • Vollstreckungsunterwerfung des Verkäufers wegen der Übergabe,
  • Vollstreckungsunterwerfung des Käufers wegen der Kaufpreiszahlung,
  • Anderkonto.

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Über den Autor:

Rechtsanwalt und Notar Ulrich Joerss ist Fachanwalt für Steuerrecht, mit den Schwerpunkten: Maklerrecht, Wettbewerbsrecht, Steuerrecht. Er ist seit vielen Jahren Ansprechpartner des IVD Berlin/ Brandenburg und vermittelt regelmäßig in Weiterbildungen Updates und Informationen für Immobilienmakler und Immobilienverwalter.

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Bild: © Andrii Yalanskyi – stock.adobe.com


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