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Hans-Joachim Beck Rechtsberater Referat Steuern IVD Bundesverband

Update Grundsteuer: Auswirkungen des Beschluss des Bundesfinanzhof vom 27. Mai 2024

Update Grundsteuer zum Beschluss vom 27. Mai 2024, II B 78/23 (AdV) 

Mit Beschluss vom 27. Mai 2024 (Az. II B 78/23) hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung entschieden, dass der Grundstückseigentümer das Recht hat, geltend zu machen, dass der tatsächliche Verkehrswert des Grundstücks niedriger ist als der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert. Allerdings muss er nachweisen, dass der tatsächliche Wert des Grundstücks den festgestellten Grundsteuerwert „derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist“.

Mit dieser „verfassungskonformen“ Auslegung wollten die Richter offensichtlich vermeiden, die neue Grundsteuer für verfassungswidrig erklären zu müssen. Denn das Bewertungsverfahren der neuen Grundsteuer legt für den Wert des Bodens die Bodenrichtwerte ohne Berücksichtigung der örtlichen Besonderheiten zugrunde und enthält sogar ein ausdrückliches Anpassungsverbot. Auch die statistischen Mietwerte müssen angesetzt werden, selbst wenn diese zivilrechtlich nicht vereinbart werden dürfen. Statt das Gesetz deswegen für verfassungswidrig zu erklären, wie die Vorinstanz es getan hat, hat der BFH das Gesetz im Wege einer „Auslegung“ ergänzt und lässt eine Einzelfallprüfung zu. Voraussetzung ist jedoch eine deutliche Überbewertung des Grundstücks durch das Finanzamt.

Die Frage wird daher in Zukunft sein, wann eine Überbewertung ausreichend deutlich ist.

Ursache der Problematik ist, dass der Gesetzgeber mit dem Bundesmodell für die Grundsteuer eine Bemessungsgrundlage eingeführt hat, die wertabhängig ist. Dieser Wert muss einerseits typisiert festgestellt werden, damit das Verfahren massentauglich ist und von der Finanzverwaltung bewältigt werden kann.

Andererseits muss die Bewertung aber auch dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichbehandlung genügen und ungleiche Werte unterschiedlich besteuern. Diesen Zielkonflikt hat der Gesetzgeber bei dem Bundesmodell einseitig zugunsten de Typisierung entschieden. Dies hat der BFH nicht akzeptiert und die Austragung des Konflikts den  Finanzgerichten übertragen.

Die Flächenmodelle wie das Modell des Landes Bayern, aber auch der Länder Niedersachsen und Hessen sowie – eingeschränkt – der Stadt Hamburg vermeiden diese Probleme. Das Land Baden-Württemberg hat in seinem Landesgesetz, das lediglich auf die Bodenwerte abstellt, die Möglichkeit eingefügt, nachzuweisen, dass der tatsächliche Wert des Bodens geringer ist. Nach § 38 Abs. 4 LGrStG-BW muss durch ein qualifiziertes Gutachten nachgewiesen werden, dass der tatsächliche Wert des Grund und Bodens um mehr als 30 % von dem Wert nach § 38 Abs. 1 oder 3 LGrStG-BW abweicht.  

Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht die Auslegung des BFH akzeptiert. Möglicherweise wird das BVerfG das Gesetz für mit der Verfassung unvereinbar erklären und dem Gesetzgeber auferlegen, eine entsprechende Nachweismöglichkeit im Gesetz zu regeln und zu konkretisieren. Eine solche Möglichkeit hat der BFH nicht. M.E. ist zweifelhaft, ob die Lösung des BFH dem Rechtsstaatsprinzip genügt, da es an klaren Maßstäben fehlt, wann eine Überbewertung nicht mehr hinnehmbar sein soll. Der Gesetzgeber muss daher eingreifen und eine entsprechende „Schwelle“ definieren. 

Wer meint, dass der festgestellte Grundsteuerwert zu hoch ist, weil Besonderheiten seines Grundstücks nicht berücksichtigt worden sind, sollte jetzt einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Eine Frist gibt es hierfür nicht. Erforderlich ist lediglich, dass man rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Zur Begründung kann man darauf hinweisen, dass das Gebäude Mängel aufweist, die Mieten niedriger sind als vom Gesetz zugrunde gelegt oder dass das Grundstück wegen objektspezifischer Besonderheiten einen geringeren Wert hat als es im Bodenrichtwert zum Ausdruck kommt.  

  

Beschluss vom 27. Mai 2024, II B 78/23 (AdV) 

AdV einer Grundsteuerwertfeststellung im sogenannten Bundesmodell

BFH II. Senat

AO § 181 Abs 1 S 1, AO § 182 Abs 1 S 1, BewG § 218, BewG § 218ff, BewG § 252, BewG § 252ff, BewG § 266 Abs 1, FGO § 33 Abs 1 Nr 1, FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3, GrStG 1973 § 36 Abs 1, GG Art 72 Abs 2 S 1 Nr 7, KAG RP § 5 Abs 1 Halbs 2, GG Art 3 Abs 1, GG Art 20 Abs 3 

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 23. November 2023, Az: 4 V 1295/23

Leitsätze

Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. des Bewertungsgesetzes i.d.F. des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 (BGBl I 2019, 1794) sind bei der im Aussetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann. Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist.

 

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Über den Autor:

Hans Joachim Beck

Der ehemalige vorsitzende Richter am Finanzgericht BerlinBrandenburg ist für IVD-Mitglieder erste Anlaufstelle für Fragen zum Thema Steuern.

 

Bildnachweis: IVD


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