Update: Die neuen Grundsteuerbescheide
Einspruch gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert
Viele Eigentümer haben gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert Einspruch eingelegt und geltend gemacht, die gesetzliche Regelung sei verfassungswidrig. Diese Einsprüche lassen die Finanzämter ruhen, wenn man sich damit einverstanden erklärt. Den Einspruch sollte man aber nicht zurücknehmen, sondern die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheids wegen Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes kann man zurücknehmen. Anderenfalls wird das Finanzamt diesen Antrag zurückweisen.
Herabsetzung des Grundsteuerwertes, wenn dieser mindestens 140 % des Verkehrswertes beträgt
Ist der vom Finanzamt festgestellte Grundsteuerwert um 40 % überhöht und beträgt mindestens 140 % des Verkehrswertes muss das Finanzamt den Grundsteuerwert ändern und auf den Verkehrswert herabsetzen. Hat man gegen den Bescheid rechtzeitig Einspruch eingelegt, ist Rechtsgrundlage für die Änderung § 172 Abs. 1 Nr. 1 a Abgabenordnung (AO). Außerdem muss das Finanzamt auf Antrag auch die Aussetzung der Vollziehung gewähren. Hat man keinen Einspruch eingelegt, muss das Finanzamt den Bescheid über den Grundsteuerwert im Wege einer fehlerbeseitigenden Fortschreibung nach § 222 Abs. 3 BewG ändern. Voraussetzung ist gem. § 222 Abs. 1 BewG, dass der Änderungsbetrag mindestens 15.000 Euro beträgt. Der Bescheid wird in diesem Fall nicht rückwirkend berichtigt, sondern der Fehler nur für die Zukunft beseitigt. Den Verkehrswert des Grundstücks muss der Steuerpflichtige mit dem Gutachten eines Sachverständigen nachweisen. Hierfür gelten die Regelungen des § 198 BewG entsprechend.
Rechtsgrundlage sind die Beschlüsse des BFH über die Aussetzung der Vollziehung vom 27.5.2024 und die koordinierten Erlasse der Länder vom 24. Juni 2024. Das Land Nordrhein-Westfalen hat inzwischen durch das „Gesetz über die Einführung differenzierender Hebesätze“ (NWGrStHsG) vom 5. Juli 2024 in § 2 dieses Gesetzes eine entsprechende gesetzliche Regelung eingeführt.
Die starre Grenze von 40 % erscheint allerdings unbillig, weil derjenige, dessen Grundsteuerwert den Verkehrswert nur um einen geringeren Betrag, beispielsweise um 38 % übersteigt, keine Herabsetzung verlangen kann. Das Land Baden-Württemberg hat in § 38 Abs. 4 LGrStG-BW von vorneherein eine Regelung geschaffen, nach der schon eine Abweichung des Grundsteuerwertes von dem Verkehrswert (des Bodens) um 30 % für eine Anpassung ausreicht. Nach meiner Ansicht kann man gem. § 163 Abgabenordnung (AO) eine Anpassung der Grundsteuer auch dann beanspruchen, wenn die Abweichung zwischen dem festgesetzten Grundsteuerwert und dem Verkehrswert geringer ist als 40 %.
Besondere Billigkeitsregelung im Land Berlin
Das Land Berlin hat durch das Steuermesszahlengesetz (BlnGrStMG) vom 27. Juni 2024 nicht nur die Steuermesszahlen abweichend von der bundesgesetzlichen Regelung in § 15 GrStG festgesetzt, sondern in § 2 auch eine Regelung über die abweichende Festsetzung der Grundsteuer aus Billigkeitsgründen getroffen. Die Regelung gilt nur für eigengenutzte Wohngrundstücke. In § 2 des BlnGrStMG heißt es wörtlich: „Die Grundsteuer für eigengenutzte bebaute Grundstücke im Sinne des § 249 Absatz 1 Nummer 1, 2 und 4 des Bewertungsgesetzes kann niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre.“ Nach Satz 2 der Vorschrift liegt eine Unbilligkeit insbesondere dann vor, wenn „die Steuererhebung die persönliche Existenz vernichten oder ernstlich gefährden würde.“ Daraus ergibt sich, dass insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden sollen. Grundsätzlich dürfen persönliche Billigkeitsgründe bei der Grundsteuer keine Rolle spielen, weil es sich um eine sog. Realsteuer handelt. Insofern hat das Land Berlin also eine Abweichung vom bundesgesetzlich geregelten Bewertungsrecht vorgenommen. Die Voraussetzung einer Existenzgefährdung durch die Grundsteuer dürfte allerdings nur in Einzelfällen erfüllt sein. Im Internet steht für den Antrag ein Vordruck zur Verfügung.
Sachliche Unbilligkeit der Grundsteuer
Beträgt die Abweichung zwischen dem festgesetzten Grundsteuerwert weniger als 40 % und etwa nur 30 %, kann man einen Antrag auf Ermäßigung der Grundsteuer nach § 163 Abgabenordnung stellen.
Nach § 163 AO können neben persönlichen Billigkeitsgründen auch sachliche Billigkeitsgründe berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung derartiger Umstände entspricht auch dem Charakter der Grundsteuer als Realsteuer.
Zu der Frage, wann die Grundsteuer unbillig ist, hat der BFH in den Beschlüssen vom 27.5.2024 nicht Stellung genommen, weil es in den betreffenden Fällen um die Rechtmäßigkeit des Grundsteuerwertes ging und die Vorschrift des § 163 AO nach § 220 Satz 2 BewG bei Ermittlung des Grundsteuerwertes nicht anzuwenden war. Sachlich unbillig ist die Grundsteuer m. E., wenn sie auf einem unbillig überhöhten Grundsteuerwert beruht. Ein sachlicher Billigkeitsgrund kann sich deshalb insbesondere aus der Diskrepanz zwischen dem festgesetzten Grundsteuerwert und dem gemeinen Wert des Grundstücks (Verkehrswert) ergeben. Die Schwelle der Unbilligkeit ist sicherlich niedriger als diejenige der verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung. M.E. liegt eine Unbilligkeit des Grundsteuerwertes schon dann vor, wenn die Abweichung nicht mehr in der „Streubreite“ normaler Typisierungen liegt, sondern außergewöhnlich hoch ist und den Steuerpflichtigen stärker trifft als die Mehrzahl der Steuerpflichtigen. Diese Voraussetzung dürfte jedenfalls gegeben sein, wenn der festgestellte Grundsteuerwert den gemeinen Wert (Verkehrswert) um mindestens 25 % übersteigt. Es erscheint unbillig, dass der Grundsteuerwert auf den gemeinen Wert herabgesetzt werden muss, wenn er diesen um mindestens 40 % überschreitet, der Steuerpflichtige einen überhöhten Grundsteuerwert und die zu hohe Grundsteuer aber hinnehmen muss, wenn die Abweichung unterhalb der Schwelle von 40 % liegt und der Grundsteuerwert den gemeinen Wert beispielsweise nur um 38 % überschreitet.
Einspruch gegen Bescheid über den Grundsteuermessbetrag und die Grundsteuer
Viele Eigentümer erhalten derzeit den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag und die ab 2025 zu zahlende Grundsteuer. Insbesondere wenn es sich um Gewerbeimmobilien handelt, oder um gemischt genutzte Grundstücke ist die neue Grundsteuer häufig sehr viel höher. Eine höhere Grundsteuer ergibt sich auch, wenn die Bodenrichtwerte in der betreffenden Gegend angestiegen sind, etwa weil Neubauten teuer verkauft worden sind.
Dass die Bodenrichtwerte seit dem 1.1.2022 in einigen Gegenden gesunken sind, ist unbeachtlich, da bis zum 1.1.2029 die Wertverhältnisse zum 1.1.2022 maßgeblich bleiben.
Wenn Sie gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert Einspruch eingelegt haben, müssen Sie gegen den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag und gegen den Grundsteuerbescheid keinen Einspruch einlegen. Denn es handelt sich um Folgebescheide, die auf dem Grundsteuerwert aufbauen. Gegen den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag sollten Sie deshalb nur dann einen – zusätzlichen – Einspruch einlegen, wenn Sie der Meinung sind, dass die angewandte Steuermesszahl falsch ist. Gegen den Bescheid über die Grundsteuer sollten Sie nur dann Einspruch einlegen, wenn Sie der Meinung sind, dass auch der angewandte Hebesatz falsch ist. Trotz Ihres Einspruchs gegen den Bescheid über den Grundsteuerwert ist das Finanzamt berechtigt, den Bescheid über den Grundsteuermessbetrag zu erlassen und auch den Grundsteuerbescheid.
Die Entscheidung über Ihren Einspruch gegen den Grundsteuerwert wird erst dann ergehen, wenn das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des neuen Rechts entschieden hat.
Mit dem Grundsteuermesszahlengesetz v. 27.6.2024 (GVBl Berlin 2024, S. 422) hat das Land Berlin die Steuermesszahlen abweichend von der bundesgesetzlichen Regelung festgesetzt. Nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG können die Länder von der bundesgesetzlich geregelten Grundsteuer abweichende Regelungen treffen, auch wenn sie das Bundesmodell für die Grundsteuer übernommen haben.
Mit dem Haushaltsgesetz vom 20.6.2024 hat Berlin
- den Hebesatz von 810 % auf 470 % abgesenkt (Grundsteuerwert x 0,00031 x 4,7 = Grundsteuer)
- Der Hebesatz für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft wurde von 150 % auf 0 % gesenkt.
Dies gilt auch für Kleingärten nach dem Bundeskleingartengesetz.
Das Aufkommen der Grundsteuer A spielte in Berlin mit 60.000 Euro pro Jahr kaum eine Rolle.
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Die Grundststeuer in der Presse – Mit Kommentaren von Hans Joachim Beck
https://www.bz-berlin.de/berlin/grundsteuer-geteiltes-grundstueck
https://www.bz-berlin.de/berlin/grundsteuer-wut-enteignung
Über den Autor:
Hans Joachim Beck
Der ehemalige vorsitzende Richter am Finanzgericht Berlin–Brandenburg ist für IVD-Mitglieder erste Anlaufstelle für Fragen zum Thema Steuern.
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