WEG-Recht 1, 2 und 3 – über Wahlverfahren, Zweckbestimmung, Nutzung
Im heutigen Artikel aus der Rubrik Recht geht es um WEG-Recht. Rechtsanwalt und Notar Ulrich Joerss kommentiert und erläutert regelmäßig aktuelle Urteile für Sie.
WEG-Recht: – Wahlverfahren für Verwalterbestellung bei mehreren Bewerbern
Über die Wahl eines neuen WEG-Verwalters stimmt die Eigentümergemeinschaft ab. Es zählt die einfache Mehrheit. Wird über mehrere Bewerber in einem Wahlgang abgestimmt, in welchem jeder Wohnungseigentümer nur eine Stimme abgeben kann, ist es erforderlich, dass der gewählte Bewerber die absolute Mehrheit erreicht. Ist dies nicht der Fall, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über eine Verwalterwahl zu entscheiden, bei welcher vier Verwalter zur Wahl standen und über den bisherigen Verwalter im ersten Wahlgang abgestimmt wurde. In diesem Wahlgang erhielt der bisherige Verwalter mehr Ja-Stimmen als Nein-Stimmen und stellte gleich seine Wiederwahl fest. Die weiteren Wahlgänge entfielen (!), da bereits ein Verwalter bestellt sei.
Auf die Anfechtungsklage verschiedener Miteigentümer wurde der Beschluss für ungültig erklärt.
Die Ungültigkeit der Wahl bestätigt der BGH mit Urteil vom 18.01.2019 – V ZR 324/17. Die Wahl entspreche nicht einem ordnungsgemäßen Abstimmungsverfahren gemäß § 26 (1) WEG, bei welchem die Stimmenmehrheit zu ermitteln sei. Das Wohnungseigentumsgesetz gebe zwar keinen speziellen Abstimmungsmodus vor, dieser sei vom Versammlungsleiter angemessen auszuwählen.
Vorliegend habe die Wahl aber nicht bereits nach dem ersten Wahlgang abgebrochen werden dürfen, da die Miteigentümer keine Gelegenheit hatten, ihre Stimme auch für einen der anderen Bewerber abzugeben. Da vorliegend nur eine relative Mehrheit für den ersten Bewerber erzielt wurde, hätten auch die anderen Kandidaten zur Wahl gestellt werden müssen. Gegebenenfalls hätten mehrere Wahlakte angeschlossen werden müssen.
Theoretisch wäre es denkbar gewesen, dass auch die anderen Kandidaten in den Einzelwahlgängen eine relative Mehrheit erhalten. Dies könne dadurch vermieden werden, dass beispielsweise alle Bewerber gleichzeitig zur Wahl gestellt werden oder alle Bewerber nacheinander zur Ermittlung der Mehrheit zur Wahl gestellt werden.
WEG-Recht 2: Unzulässige Eisdiele bei Zweckbestimmung Laden
In einem anderen Fall hatte der BGH über die Nutzung einer als „Laden“ in der Teilungserklärung bezeichnete Teileigentumseinheit zu entscheiden. Der Mieter dieser Einheit nutzte sie als Eisdiele mit Außenverkauf und Bestuhlung im Außenbereich.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft klagte gegen den Mieter der Einheit auf Unterlassung – mit Erfolg.
Der BGH bestätigte sowohl, dass die Eigentümergemeinschaft unmittelbar gegen den Mieter klagen dürfe, als auch, dass die gewerbliche Nutzung unter Inanspruchnahme der Außenflächen über die Nutzung als Laden hinausgehe. Auch der Außenverkauf sei eine unzulässige Nutzung. Entscheidend sei auch hier die typisierende Betrachtung, welche zum genannten Ergebnis führe.
– BGH, Urteil v. 25.10.2019 – V ZR 271/18.
WEG-Recht 3: Zulässige Nutzung von Laden mit Lager
In einem nach dem Wohnungseigentumsgesetz aufgeteilten Mehrfamilienhaus war eine Einheit in der Teilungserklärung als „Laden mit Lager“ bezeichnet. In dieser Einheit wurde später ein Eltern-Kind-Zentrum betrieben.
Der Eigentümer der Wohneinheit über dem Eltern-Kind-Zentrum klagte gegen diese Art der Nutzung.
Im Eltern-Kind-Zentrum wurde vormittags ein Kindergarten betrieben. Das Zentrum war von 9 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Der Nutzer der Wohnung klagte gegen den Gewerbemieter und Betreiber vor dem Landgericht. Während das Landgericht und das Oberlandesgericht als Berufungsinstanz der Unterlassungsklage stattgaben, hebt der BGH das Urteil auf. Der BGH führt zunächst auf, dass bei einer gegen die Teilungserklärung verstoßenden Nutzung sowohl der Eigentümer, als auch der Mieter dieser Einheit in Anspruch genommen werden können.
Die Bestimmung aus der Teilungserklärung „Laden mit Lager“ sei eine wirksame Zweckbestimmung für die zulässige Nutzung. Der BGH geht aber davon aus, dass eine Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum bei typisierender Betrachtung keine stärkere Beeinträchtigung der anderen Eigentümer als die vorgesehen Nutzung verursache. Bei der Beurteilung der zulässigen Nutzung sei auch das Gesamtkonzept zu berücksichtigen, das zum Beispiel bei einem Ärztehaus spezielle Einschränkungen vorsehen könne.
Nach § 22 (1a) BImSchG gelten Immissionen von spielenden Kindern und von Kindergärten nicht als schädliche Immissionen, deren Unterlassung verlangt werden kann. Dies sei, so der BGH, auch bei der zulässigen Nutzung einer Einheit nach dem WEG zu berücksichtigen. Da Beeinträchtigungen wie Besucherverkehr etc. auch bei einem Ladengeschäft vorhanden sind und alleine eine höhere Lautstärke der spielenden Kinder hier zu einer stärkeren Belastung führe, sei die Nutzung zulässig. Der Kinderlärm sei gemäß § 22 (1a) BImSchG zu dulden.
Profitipp:
Bei der zulässigen Nutzung von Einheiten innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage sollte sowohl bei der Vermietung als auch bei dem Verkauf die in der Teilungserklärung vorgesehene Zweckbestimmung geprüft werden. Selbst jahrelang geduldete abweichende Nutzungsarten begründen kein Gewohnheitsrecht für einen neuen Eigentümer oder Mieter.
Ulrich Joerss
Rechtsanwalt und Notar
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Bildquellen: © Cheryl Holt
, RA Joerss