Widerrufsrecht

Long Time Classic – Widerrufsrecht bei Maklerverträgen

Provisionsverlust durch sicheren Umgang mit den Formularen ausschließen

Seit Freitag, dem 13.06.2014 gilt durch europaweite Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften das Widerrufsrecht eindeutig auch für Maklerverträge. Die Nichtbeachtung dieser verbraucherschützenden Vorgaben kann schnell zum Provisionsverlust führen. Der sichere Umgang mit dem Widerrufsrecht hat daher wirtschaftlich erhebliche Bedeutung für Immobilienmakler.

Warum ist die Beachtung der Widerrufsrechte so wichtig?

Die Regelungen um das Widerrufsrecht stellen Verbraucherschutzvorschriften dar. Um Verbraucher vor möglicherweise wirtschaftlich stärkeren Unternehmen oder Konzernen zu schützen, sind die Schutzvorschriften mit strengen Sanktionen verbunden. Die Nichtbeachtung von Widerrufsrechtsvorschriften führt dazu, dass Verbraucher sich von den betroffenen Verträgen nahezu ohne jegliche Konsequenz lösen können, unabhängig von der Motivlage des Verbrauchers.

Für Immobilienmakler bedeutet dies, dass ein Verbraucher auch nach Abschluss des betreffenden Immobilienvertrags und sogar nach Zahlung der Provision, die Zahlung verweigern oder auch die gezahlte Provision 3 Jahre lang zurückverlangen kann. Ein Wertausgleich für die empfangene Leistung ist nahezu ausgeschlossen. Dies gilt auch für Verbraucher, die zur Vermögensbildung schon mehrmals eine Immobilie erworben haben oder Investitionsobjekte mit hohen Kaufpreisen erwerben, beispielsweise Mehrfamilienhäuser. Der Verlust dieser Provision wäre die schmerzliche Konsequenz für die Verletzung des Verbraucherschutzes.

Zwei Fallgruppen – Fernabsatzverträge und Geschäfte außerhalb der Geschäftsräume

Verbraucher gelten bei Verträgen mit Unternehmern in besonderen Situationen als schutzbedürftig. Dies sind zum einen Fernabsatzverträge, zumeist über das Internet abgeschlossen. In dieser Abschlusssituation unterstellt der Gesetzgeber einen nicht gründlich überlegten, schnellen Vertragsentschluss des Verbrauchers.

Zum anderen sind es Verträge, die ein Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abschließt. In einer solchen Situation kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verbraucher durch den Abschluss des Vertrags überrascht wird, ohne sich den Vertragsabschluss ausreichend überlegt zu haben. In beiden Fallgruppen besteht ein Verbraucherwiderrufsrecht.

Als Verbraucher gilt jede Person, die nicht überwiegend für eigene gewerbliche oder berufliche Zwecke handelt. Auch eine Gewerbeimmobilie kann also durch einen Verbraucher erworben werden, wenn er die Immobilie zur Vermögensbildung erwirbt, ohne dass ein Widerrufsrecht entfiele, § 13 BGB.

Fernabsatz

Ein Widerrufsrecht besteht, wenn das Maklergeschäft im Fernabsatz abgeschlossen wird, also die Geschäftsbeziehung zum Maklerkunden über das Internet, E-Mail, SMS, WhatsApp, Messenger, Fax oder Briefe hergestellt und auf diese Weise der Maklervertrag abgeschlossen wird, § 312c BGB. Wird eine Immobilie inseriert, meldet sich der Kunde über das Portal, per Mail oder Telefon und erhält er anschließend zur Vertragsbestätigung das Exposé per E-Mail oder Post, handelt es sich um einen im Fernabsatz abgeschlossenen Maklervertrag.

Verträge außerhalb der Geschäftsräume des Maklers

Die zweite Kategorie der widerrufbaren Verträge besteht im Abschluss der Maklervertrags außerhalb der eigenen, dauerhaft und gewöhnlich genutzten Geschäftsräume des Unternehmers, § 312b BGB. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ein kostenpflichtiger Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume für einen Verbraucher mit einem Überraschungsmoment verbunden ist.

Für solche Verträge besteht daher ebenfalls ein Widerrufsrecht. Die Ausgestaltung der Widerrufsrechte unterscheidet sich von denen im Fernabsatz in der Form der Widerrufsbelehrung (dazu unten). Ein außerhalb der Geschäftsräume geschlossener Vertrag liegt in der Regel dann vor, wenn der Austausch zwischen Makler und Kunden über die Immobilie zuvor noch nicht beidseitig über E-Mail oder Post erfolgt ist, weil es sich um ein neues Objekt im Maklerbestand handelt oder das Objekt im Zuge einer anderen Besichtigung ungeplant mitbesichtigt wird.

 

Long Time Classic - Widerrufsrecht bei Maklerverträgen 3

 

Inhalt der Verbraucherinformationen zum Widerrufsrecht

Bei widerrufbaren Verträgen ist der Unternehmer verpflichtet, den Verbraucher über das Bestehen des Widerrufsrechts, die Form (formfreie eindeutige Erklärung), Frist und Adresse für dessen Ausübung und die rechtlichen Konsequenzen zu informieren, § 312d BGB, Art. 246a EGBGB. Auch muss er ein Formular zur Verfügung stellen, mit welchem der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausüben kann.

Der Widerruf kann formfrei erklärt werden, beispielsweise auch per Telefon, § 355 I BGB. Im BGB ist als Anlagen 1 und 2 zu Artikel 246a EGBGB ein gesetzliches Muster für die Widerrufsbelehrung und das Musterwiderrufsformular enthalten, dass auch im Internet veröffentlicht ist (Gesetze-im-Internet.de). An die Angaben und Formulierungen des Musters sollte man sich bei der eigenen Formulierung halten. Zum Teil ist zu beobachten, dass zwar eine Widerrufsbelehrung erteilt wird, diese aber nicht vollständig ist oder das Musterwiderrufsformular nicht mit übermittelt wird.

Eine solche Verbraucherinformation wäre nicht vollständig und würde die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllen. Auch ist vorgesehen, dass eine im Geschäftsverkehr vom Unternehmer verwendete Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung angegeben wird, da der Widerruf auch telefonisch erfolgen könnte. Fehlt die Telefonnummer, ist die Widerrufsbelehrung unwirksam!

Übergabe der Widerrufsbelehrung in Papierform bei Abschluss außerhalb der Geschäftsräume

Für Aufsehen sorgte das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26.11.2020. In diesem Urteil führt der Bundesgerichtshof aus, dass für den dort zugrunde liegenden Fall die Widerrufsberechtigung des Maklerkunden für 12 Monate und 14 Tage bestünde, da ihm die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß in Papierform ausgehändigt wurde. (Der Vertrag mit diesem Kunden wurde außerhalb der Geschäftsräume bei persönlicher Anwesenheit geschlossen.)

Bei Abschluss eines Maklervertrags außerhalb der Geschäftsräume können Widerrufsbelehrung und Musterwiderrufsformular zwar nachgereicht werden, das Nachreichen reicht allerdings nicht per E-Mail. Bei Geschäften außerhalb der Geschäftsräume muss die Widerrufsinformation auf Papier ausgehändigt werden (Artikel 246a § 4 Abs. 2 S. 1 EGBGB).

Es empfiehlt sich daher, die Widerrufsbelehrung nebst Musterwiderrufsformular bei der Exposé-Gestaltung (auch) im Exposé aufzunehmen, das übergeben wird. Ein ausgedrucktes Exposé, das überreicht wird, erfüllt hierdurch automatisch die formellen Anforderungen Wäre der Vertrag mit dem Makler online abgeschlossen, hätte die Übermittlung von Widerrufsbelehrung/Musterwiderrufsformular als PDF per E-Mail ausgereicht.

Eigene Belehrung erforderlich – Portalbelehrung nicht ausreichend

Zur frühzeitigen Information der Verbraucher übermitteln einige Immobilienportale dem Interessenden bereits auf seine Anfrage hin eine Widerrufsbelehrung, die in der Regel vom inserierenden Immobilienmakler selbst gestaltet werden kann. Diese Widerrufsbelehrung wird dem Kunden über die automatische Antwortfunktion des Portals zugesandt.

Vereinzelt ist zu beobachten, dass die Widerrufsbelehrung mit Werbung des Portals angereichert wird. Es kann in diesen Fällen nicht mit Rechtssicherheit davon ausgegangen werden, dass die Portalinformation über die Widerrufsrechte den Anforderungen des Verbraucherschutzes genügt und bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung vom Gericht akzeptiert wird.

Widerrufsbelehrung und Musterwiderrufsformular sollten daher immer vom Maklerunternehmen selbst erteilt werden, im Fernabsatz als PDF oder deutlich erkennbar im Exposé. Es ist darauf zu achten, dass die Widerrufsbelehrung nicht übersehen wird, sie darf daher auf keinen Fall in den Geschäftsbedingungen „versteckt“ werden.

Softwarelösungen zur Beschleunigung der Maklerleistung – Verkürzung der Widerrufsrechte

Der Gesetzgeber hat erkannt, dass regelmäßig Bedarf an einem frühen Leistungsbeginn besteht und die Widerrufsfrist entgegenstünde. Es ist daher möglich, dass der Kunde die Leistung des Maklers vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt und dabei ausdrücklich die Kenntnis seiner Rechte und deren Einschränkung bestätigt.

In diesem Fall werden die Rechte des Verbrauchers eingeschränkt, § 356 Abs. 4 BGB. Voraussetzung für diesen Beschleunigungseffekt ist verständlicherweise die Kenntnis des Verbrauchers der vom ihm aufgegebenen Rechte. Viele Softwareanbieter stellen eine komfortable Handhabung dieses Ablaufs zur Verfügung: Der Kunde erhält einen Link zu einer Eingabemaske, auf welcher er die entsprechenden Erklärungen durch Betätigen vorbereiteter Schaltflächen oder Checkboxen abgibt.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher nur auf die Rechte verzichten kann, die ihm zuvor zur Kenntnis gegeben wurden. Es ist daher erforderlich, dass der Verbraucher vor oder zeitgleich mit dem Link zur Eingabemaske die Informationen über das Widerrufsrecht erhält, nicht nachher. Die Widerrufsbelehrung mit Widerrufsformular sollten in der Mail mit dem Link daher enthalten sein.

Rechtfolgen bei vergessener Widerrufsbelehrung

Unterlaufen Fehler bei der Widerrufsbelehrung oder wird sie vollständig vergessen, hat dies zur Folge, dass bei einem Verbrauchervertrag im Fernabsatz oder außerhalb der Geschäftsräume die 14‑tägige Widerrufsfrist nicht beginnt. In diesen Fällen beläuft sich die Widerrufsfrist gesetzlich auf 12 Monate und 14 Tage, § 356 III BGB. Der Verbraucher könnte sogar noch nach Beurkundung des Kaufvertrags den Maklervertrag widerrufen und eine gezahlte Provision auch zurückverlangen.

Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt erst mit Erteilen der Widerrufsbelehrung. Eine vergessene Widerrufsbelehrung kann daher faktisch in den Fällen noch nachgereicht werden, wenn der Kunde noch weitere Leistungen des Maklers erwartet und mit einem Widerruf nicht zu rechnen ist. Alternativ könnte die Provision in den Geschäftsräumen des Maklers mittels einer ausdrücklichen (schriftlichen) Provisionsbestätigung gesichert werden. Diese Bestätigung könnte anlässlich der Besprechung des Kaufvertragsentwurfs unterzeichnet werden. Ergibt sich die Gelegenheit hierzu nicht, sollten Auseinandersetzungen oder Anlässe, die zum Hinterfragen der Provision führen, für die Dauer von 12 Monaten und 14 Tagen bis zum Erlöschen des Widerrufsrechts vermieden werden.

Neues Maklerrecht – Textform für die Provisionsvereinbarung

Seit Dezember 2020 gilt für den Abschluss eines Maklervertrags über ein Einfamilienhausgrundstück oder eine einzelne Eigentumswohnung zusätzlich die Textform für die Provisionsvereinbarung. Wird die Textform nicht eingehalten, entsteht nicht einmal ein Maklervertrag, den der Kunde widerrufen könnte. Textform bedeutet, dass sowohl das Provisionsverlangen des Maklers, als auch die Provisionsbestätigung des Kunden in einer jederzeit reproduzierbaren Erklärung mit Nennung des Namens der jeweiligen Person enthalten sind.

In der Praxis wird diese Form eingehalten durch: Unterschrift im Original, Telefax, E-Mail mit Namensnennung oder Messengernachricht mit Namensnennung. Die E-Mail des Maklers, in welcher er auf die Provision hinweist, erfüllt diese Form. Schwieriger wird es im täglichen Ablauf bei der Provisions- bzw. Vertragsbestätigung durch den Kunden. Wegen der erforderlichen Namensnennung reicht es nicht aus, dass der Kunde die Provision mit einer kurzen „OK“-Mail bestätigt, ohne seinen Namen darunter zu schreiben. Es empfiehlt sich, vom Kunden eine Erklärung zu erhalten wie zum Beispiel „Provision und Geschäftsbedingungen bestätigt, Vorname, Nachname, (Firma)“.

Derzeit arbeiten Softwarehersteller noch an einer unkomplizierten Lösung für diese Anforderungen. Ein Häkchen in einer Checkbox erfüllt die Textform leider nicht. Die Nachricht, z.B. per E-Mail eines Kunden zur Bestätigung der Mail muss entweder von ihm selbst abgegeben oder von ihm bewusst versandt werden. Die von Maklerunternehmen laufend eingesetzte Software sollte auf die Einhaltung der Textform für Provisionsbestätigungen überprüft und der Anbieter gegebenenfalls hierauf angesprochen werden. Gegebenenfalls sind die Provisionsbestätigungen vom Makler daher mit gesonderter E-Mail/Unterschrift/Nachricht einzuholen.

Zusammenfassung

Nahezu jeder Maklervertrag, der nicht im Maklerbüro abgeschlossen ist, unterliegt einem Widerrufsrecht für Verbraucher. Durch die neue Textform für Maklerverträge über Einfamilienhäuser und einzelne Wohnungen wird der Vertragsschluss durch die Textform entschleunigt, was als Nebeneffekt allerdings zu mehr Rechtssicherheit führt. Der eigene Geschäftsablauf sollte daher auf Vollständigkeit der Widerrufsbelehrung, des Widerrufsformulars und bei Einfamilienhäusern oder einzelnen Eigentumswohnungen die Einhaltung der Textform überprüft werden

 

 

RA und Notar Ulrich Joerss - https://www.joerss.com

Ulrich Joerss
Rechtsanwalt und Notar

Rankestraße 26, 10789 Berlin
Tel.:030 / 88 00 1404
Mail: info@JOERSS.com
Web: www.JOERSS.com

 

Sie interessieren sich für weitere Artikel des IVD?
Lesen Sie HIER alle Artikel im Blog!